Nicht monetäre Unterstützung Armutsbetroffener im Wohnen

Vielerorts übersteigt die Nachfrage nach günstigem Wohnraum das Angebot. Sie ist so hoch, dass Armutsbetroffene und -gefährdete kaum angemessenen Wohnraum finden. Die nicht monetäre Unterstützung Betroffener erleichtert den Zugang zu günstigem Wohnraum und sichert ihre gesellschaftliche Teilhabe.
Marie Antoinette Glaser, Eveline Althaus, Michaela Schmidt
  |  02. September 2016
    Forschung und Statistik
  • Armut

Wohnen ist ein existenzielles menschliches Bedürfnis. Eine Wohnung, einen eigenen Raum zu haben, ist wesentlich, um sich geschützt zu fühlen und sich den anspruchsvollen Herausforderungen des Alltags stellen zu können. Eine sichere und angemessene Wohnsituation ist grundlegend sowohl für das alltägliche Wohlbefinden als auch für die soziale Inte­gration und die Gestaltung von Sozialkontakten. Die Wohnversorgung widerspiegelt die sozialen und kulturellen Gegebenheiten einer Gesellschaft (Glaser 2009, S. 62; Gysi 2009, S. 10–23). Im Wohnen verdeutlichen sich die unterschiedlichen Lebensstile und Gruppenzugehörigkeiten. Folglich zeigen sich dabei auch soziale Ungleichheiten sowie Diskriminierungs- und Segregationsprozesse. Viele armutsbetroffene und -gefährdete Menschen leben in prekären Wohnverhältnissen (Bochsler et al. 2015; Bieri/Elmiger 2013, S. 6–9).

Günstiger Wohnraum wird in der Schweiz vor allem im urbanen Raum und in Gebieten mit stark angespanntem Wohnungsmarkt immer knapper.1 Gestiegene Wohnansprüche und veränderte Anforderungen an Bauprojekte führen oft zu erhöhten Baukosten bei Sanierungen oder Neubauten und lassen die Mietzinsen ansteigen. Investoren entwickeln neue Wohnprojekte im hohen Preissegment. Städtisches Wohnen wird immer attraktiver. Gleichzeitig erweitert sich als Folge bewusster Stadtentwicklungsstrategien und des Marktes der Graben, der die Haushaltstypen mit unterschiedlicher Finanzkraft trennt (Sfar 2014, S. 152–167). So treten Verdrängungseffekte zutage. Wenn Sanierungs- und (Ersatz-)Neubauprojekten kein dezidiert sozialverträgliches Programm zugrunde liegt, sind die Mieten für Menschen mit geringem Einkommen meist nicht erschwinglich.

Auf dem freien Wohnungsmarkt sind günstige Wohnangebote meist so stark nachgefragt, dass gerade armutsbetroffene und -gefährdete Menschen sehr geringe Chancen haben, angemessenen Wohnraum zu finden. Gerade wenn sie neben ihrer sehr eingeschränkten finanziellen Situation mit weiteren Benachteiligungen auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert sind, wird die Wohnungssuche zu einer oft unüberwindbaren Hürde. Besonders schwer haben es Migrantinnen und Migranten, die wegen ihres Namens, ihrer Hautfarbe oder ihres Aufenthaltsstatus Diskriminierungserfahrungen machen, Betagte oder Behinderte mit geringer Rente, Menschen in komplexen gesundheitlichen, psychosozialen und finanziellen Belastungssituationen, aber auch Menschen, die mit einer Suchterkrankung konfrontiert sind oder nach einem Aufenthalt in stationären Einrichtungen oder dem geschlossenen Strafvollzug in der Gesellschaft wieder neu Fuss fassen. Nicht monetäre Angebote leisten hier einen entscheidenden Beitrag, diesen Menschen den Zugang zu günstigem Wohnraum zu erleichtern und damit ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern.

Nicht monetäre Unterstützung im Wohnen sichert die soziale Teilhabe.

Die aktuelle Angebotslandschaft in der Schweiz ähnelt einem unregelmässigen Flickwerk: Die Unterstützung armutsbetroffener und -gefährdeter Menschen in Wohnfragen ist kommunal sehr unterschiedlich geregelt. Während gewisse Gemeinden spezialisierte Beratungs- und Unterstützungsstellen eingerichtet haben, sind solche in anderen Gemeinden nur teilweise vorhanden oder inexistent.

Die in der Studie untersuchten nicht monetären Dienstleistungen tragen zur nachhaltigen Vermittlung und Sicherung von angemessenem Wohnraum für armutsbetroffene und -gefährdete Menschen bei. Dazu zählen die Unterstützung bei der Wohnungssuche, präventive Massnahmen zur Vermeidung von Kündigungen und Zwangsräumungen (Wohnraumsicherung) sowie Angebote des betreuten und begleiteten Wohnens. Die Angebote haben das Potenzial, armutsbetroffene und -gefährdete Menschen unmittelbar und individuell angepasst auf ihre jeweilige Problem- und Wohnsituation zu unterstützen. Deshalb stellen sie eine wichtige Ergänzung zu politisch-strategischen, strukturellen Instrumenten der Förderung von günstigem Wohnraum dar (wie raumplanerische Interventionen, wohnpolitische Vorstösse und Gesetze oder monetäre Subjekt- und Objekthilfen).

Es kann zwischen staatlichen und nicht staatlichen Anbietern von Dienstleistungen unterschieden werden. Städtische Sozialämter und Sozialdienste bieten neben der gesetzlich verpflichteten Obdachlosenhilfe (Bereitstellung von Notunterkünften) teils auch Unterstützung bei der Wohnungssuche oder gegen drohenden Wohnungsverlust an und sie helfen Sozialhilfebeziehenden zuweilen auch bei der Stabilisierung ihrer Wohnsituation. In vielen Städten ging die Initiative für solche Dienstleistungen von privaten Vereinen oder Stiftungen aus, die ihre Aufgaben heute in der Regel im Leistungsauftrag einer oder mehrerer Gemeinden wahrnehmen. Unter beiden Trägerschaften finden sich sowohl Angebote, die rein professionell betrieben werden, als auch solche, die auf Freiwilligenarbeit basieren. Aufgrund der grossen Nachfrage erreichen die verschiedenen Angebote häufig ihre Kapazitätsgrenzen.

Fragestellung und Zielsetzung der Studie Die Studie des ETH Wohnforum – ETH CASE untersuchte im Auftrag des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut in der Schweiz nicht monetäre Dienstleistungen zur Unterstützung armutsbetroffener und -gefährdeter Menschen in der Wohnversorgung. Die nicht monetären Dienstleistungen wurden hinsichtlich dreier Dimensionen analysiert. Erstens interessierte ihre Ausrichtung und Organisation, zweitens ihre Zielgruppen und die Problemmuster der Klientinnen und Klienten und drittens die Kooperation mit Vermietern sowie mit Akteuren aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. Hierzu wurde eine exemplarische Auswahl von zehn staatlichen und nicht staatlichen Anbietern untersucht:

  • Casanostra, Biel/Bienne
  • IG Wohnen, Basel
  • Fondation Apollo, Vevey
  • Stiftung Domicil, Zürich
  • Pilotprojekt Wohnhilfe Schlieren
  • Verein WOhnenbern
  • Unité logement, Service social, Ville de Lausanne
  • Geschäftsbereich Wohnen und Obdach, Soziale Einrichtungen und Betriebe, ­Sozialdepartement, Stadt Zürich
  • Pilotprojekt Wohncoaching, Soziale Dienste, Stadt Luzern
  • Servizio di Accompagnamento Sociale (SAS), Città di ­Lugano

Die Studie verglich, systematisierte und analysierte das Angebot und identifizierte sein Potenzial wie auch die grössten Herausforderungen. Dazu benannte sie erste erfolgversprechende Handlungsansätze.

Methodisches Vorgehen Neben einer systematischen Dokumentenanalyse wurden qualitative (Gruppen-)Interviews mit Expertinnen und Experten durchgeführt. Befragt wurden Stellenleitende und Mitarbeitende der zehn ausgewählten Anbieter, deren armutsbetroffene oder -gefährdete Klientinnen und Klienten sowie Vermieter (private Eigentümer sowie Vertreter von Immobilienverwaltungen und Wohnbaugenossenschaften). Ausserdem wurde eine Fokusgruppe mit Vertretern der Immobilienbranche, politischer Verbände und NGOs aus verschiedenen (Sprach-)regionen der Schweiz organisiert. Zur Vernetzung aller Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer und zur Festigung der Ergebnisse wurde schliesslich ein gemeinsamer Validierungsworkshop durchgeführt.

Drei typische Angebotsprofile nicht monetärer Dienstleistungen Mit der systematischen Prüfung des Angebots liessen sich drei typische Angebotsprofile herausfiltern:

  • Beratung und Unterstützung bei der Wohnungssuche bzw. bei Wohnfragen
  • Wohnungsvermittlung und Wohnraumsicherung
  • Begleitung und Betreuung in eigenen oder angemieteten Liegenschaften

Je nach Ausrichtung erstreckt sich das spezifische Angebotsspektrum eines Akteurs in der Praxis über ein, zwei oder gar alle drei Profile.

Beratung und Unterstützung bei der ­Wohnungssuche bzw. bei Wohnfragen Die Angebote in Profil 1 bieten armutsbetroffenen und -gefährdeten Menschen, die eine Wohnung suchen oder in bestehenden Mietverhältnissen Probleme haben, eine erste niederschwellige Unterstützung. Die meist kostenlosen Dienstleistungen – in der Regel entweder individuelle Beratungen oder öffentliche Informationsveranstaltungen – stehen gemeinhin allen Interessierten offen und bauen auch auf die Selbstverantwortung der Klientinnen und Klienten. Eine der wesentlichen Aufgaben solcher Angebote ist es, Vermieter davon zu überzeugen, Armutsbetroffene oder -gefährdete bei der Wohnungsvergabe zu berücksichtigen.

In diesem Angebotssegment finden sich auch Projekte von Freiwilligen, welche die Wohnungssuchenden beispielsweise bei der Zusammenstellung eines überzeugenden Bewerbungsdossiers oder im Umgang mit Verwaltungen beraten. Angebote professioneller Fachpersonen umfassen demgegenüber auch die direkte Vermittlung von Wohnungen (vgl. Profil 2).

Wohnungsvermittlung und Wohnraum­sicherung Im Angebotsprofil 2 finden sich ausschliesslich professionell tätige Anbieter. Der Schwerpunkt liegt hier auf Dienstleistungen, die armutsbetroffenen und -gefährdeten Menschen zum einen eine Wohnung vermitteln und sie zum anderen vor allem auch dabei unterstützen, diese langfristig zu halten. Im Rahmen der Wohnraumsicherung beraten und begleiten sozialarbeiterisch geschulte Fachpersonen ihre Klientinnen und Klienten zu Hause. Während solcher Wohnbegleitungen vermitteln sie insbesondere auch bei Problemen mit Vermietern und Hauswarten oder bei nachbarschaftlichen Konflikten, die zu einer Wohnungskündigung führen könnten. Diese nicht monetären Dienstleistungen gehen in der Regel mit finanziellen Garantien einher, die gewährleisten, dass der Mietzins regelmässig bezahlt wird und keine zusätzlichen Kosten anfallen (u. a. über Instrumente wie die Solidarhaftung oder eine zeitlich befristete Übernahme des Mietvertrags). Die nicht monetären Dienstleistungen in diesem Profil leisten ausserdem einen Beitrag zur ressourcenorientierten sozialräumlichen Wohnintegration vor Ort (etwa über das Stärken von Nachbarschaftsnetzen, Mediation bei Nachbarschaftskonflikten etc.).

Die Wohnungsvermittlung und Wohnraumsicherung richten sich insbesondere an Menschen mit sozioökonomischen, gesundheitlichen und psychischen Belastungen und/oder einem Migrationshintergrund. Die Betroffenen müssen gewisse Kriterien erfüllen, die eine nachhaltige Wohnungsvermittlung sinnvoll erscheinen lassen. Dazu gehören eine Aufenthaltsbewilligung sowie psychosoziale Stabilität und Kompetenzen zum selbstständigen Wohnen. Verschiedene Anbieter setzen auch grundlegende Kenntnisse der Landes-(teil-)Sprache von mindestens einer erwachsenen Person eines Haushalts voraus. Werden ebenfalls finanzielle Garantien angeboten, erhöht sich das Risiko für die Anbieter und die Aufnahmepraxis wird selektiver, sodass beispielsweise Menschen, die auf Sozialhilfe verzichten und von einem Einkommen unter dem Existenzminimum leben, oder Menschen mit hohen Schulden oder Betreibungen sich für solche Angebote nicht qualifizieren können.

Um erfolgreich vor allem in diesem Angebotsprofil zu arbeiten, bedarf es einer gezielten und langfristigen Netzwerk- und Überzeugungsarbeit mit Vermietenden. Gerade die Überzeugung und Gewinnung der Eigentümerinnen und Eigentümer sind dabei eminent wichtig, da letztlich diese über die Vermietung ihrer Liegenschaften entscheiden. Die gezielte Kontaktpflege mit lokalen Akteuren der Immobilienbranche ist dabei die wichtigste Grundlage für die notwendige Sensibilisierung gegenüber Wohnungsfragen Armutsbetroffener.

Begleitung und Betreuung in eigenen oder angemieteten Liegenschaften Nicht monetäre Dienstleistungen im Profil 3 werden im Auftrag eines Gemeinwesens als Präventionsmassnahmen gegen bzw. als Hilfe bei Obdachlosigkeit angeboten. Das Angebot umfasst Notunterkünfte und -wohnungen, (teil-)betreute Wohnangebote sowie individuelle Wohnbegleitungen. Sie werden entweder von Abteilungen städtischer Sozialdienste oder privaten Vereinen betrieben. Die Begleitung in eigenen oder angemieteten Liegenschaften richtet sich explizit an armutsbetroffene und -gefährdete Menschen, die sich in komplexen Problemlagen befinden und gesellschaftlich besonders marginalisiert sind (wie Menschen mit Suchtmittelabhängigkeiten, gesundheitlichen und/oder psychosozialen Schwierigkeiten). Für die Bereitstellung adäquater Angebote stellen insbesondere die jüngsten Veränderungen in der Psychiatrielandschaft (Reduzierung von stationären Einrichtungen, Privatisierungen) eine besondere Herausforderung dar.

Die Wohnbegleitung in angemieteten Wohnungen oder Liegenschaften bedingt einen regelmässigen Austausch mit den Bewirtschaftern und Hauswarten. Wohnraum kann längerfristig gesichert werden, wenn Problemen bewusst vorgebeugt und bei auftretenden Krisen schnell und angemessen reagiert wird. Die Kooperation mit weiteren Akteuren des Sozial- und Gesundheitsnetzes ist beim begleiteten und betreuten Wohnen am stärksten institutionell verankert. Eine systemische Kenntnis der Lebens- und Wohnsituation der Klienten und Klientinnen und eine gut funktionierende Vernetzung der Anbieter sind unabdingbar, um Betroffenen trotz teilweise komplexer Problemlagen das selbstständige und selbstbestimmte Wohnen zu ermöglichen. So können stationäre Behandlungen zum Teil vermieden, zumindest reduziert werden.

Wichtigste Resultate Die Erfahrungen der Anbieter zeigen, dass eine zu schnelle Ablösung aus Begleit- und Betreuungsangeboten oder lediglich der Ausbau von Temporärlösungen nicht nachhaltig sind und schliesslich zeit- und kostenintensiver geraten als langfristig orientierte Wohnangebote. Unabhängig vom Profil des Angebots zeigt sich, dass das Funktionieren sowie die Organisation und Bereitstellung nicht monetärer Dienstleistungen im Bereich Wohnen insbesondere von den Vermietenden, dem Wohnungsmarkt und den Gemeinden abhängig sind.

Die Rolle der Vermieter Der Zugang für armutsbetroffene und -gefährdete Menschen zum Wohnungsmarkt wird erleichtert, wenn die Anbieter von Dienstleistungen sich mit Akteuren aus der Immobilienbranche vernetzen und verbindlich mit ihnen zusammenarbeiten. Die Studie legt nahe, dass sich private Eigentümerinnen und Eigentümer für eine Wohnungsvermittlung in der Regel einfacher erreichen lassen; denn sie können persönlich kontaktiert und motiviert werden. Der Zugang zu grossen Immobilienverwaltungen hingegen gestaltet sich häufig schwieriger. Bei der Wohnungsvergabe folgen sie Vorgaben, die Menschen mit Schulden, Betreibungen oder negativen Referenzen aus früheren Mietverhältnissen systematisch ausschliessen. Falls Klientinnen und Klienten entsprechende Ausschlusskriterien erfüllen, ist es für die Dienstleister sehr anspruchsvoll, die Verwaltungen dennoch für die Vermietung einer Wohnung zu gewinnen. Ebenso schwierig stellt sich der Zugang zu traditionellen Wohnbaugenossenschaften dar, bei denen konservativ-bewahrende Haltungen verbreitet sind. Einfacher zu überzeugen sind progressiv orientierte Genossenschaften, die mit ihrer Belegungspraxis explizit eine soziale Durchmischung anstreben.

Um alle Vermietertypen längerfristig zur Kooperation gewinnen zu können, bedarf es einer professionellen Überzeugungs- und Vernetzungsarbeit durch die Anbieter von Angeboten der Wohnraumförderung. Strategien wie die Organisation von Informations- und Netzwerkanlässen, Kontaktpflege mit Eigentümer- und Immobilienverbänden oder die Besetzung der strategischen Organe mit Vertretern der Immobilienbranche stellen sich dabei als erfolgversprechend heraus. Desgleichen sollten die Anbieter von Dienstleistungen unkompliziert anzusprechen sein, zuverlässig und professionell arbeiten sowie vorurteilsfrei und lösungsorientiert kommunizieren. Dies wiederum setzt Kenntnisse der immobilienbranchenspezifischen Sprache voraus.

Die Bedeutung des Wohnungsmarktes Menschen, die am oder unter dem Existenzminimum leben, sind auf sehr günstigen Wohnraum angewiesen. Dieser ist gerade in angespannten Wohnungsmärkten – gemessen an einem tiefen Leerwohnungsbestand, einer geringen Neubauquote und hohen Marktwohnungsmieten – äusserst rar. Die bestehenden nicht monetären Angebote leisten einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt sind. Die Untersuchung macht jedoch auch Versorgungslücken deutlich: Differenzierte Dienstleistungen der Beratung, Vermittlung und Sicherung von angemessenen Wohnungen (Profile 1 und 2) finden sich längst nicht in allen Städten und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten. Und bei den bestehenden Angeboten übersteigt die Nachfrage nach Unterstützung häufig die Kapazitätsgrenzen. Die Angebote in Profil 3 sind erfahrungsgemäss auch bei entspannten Wohnungsmärkten notwendig, da sich armutsbetroffene und -gefährdete Menschen in komplexen Lebenslagen auf der Suche oder bei der Sicherung von Wohnraum immer mit Diskriminierung und Exklusion konfrontiert sehen.

Die Gemeinden sind zentrale Akteure der Wohnraumförderung.

Die Rolle der Gemeinden Die politischen Gemeinden spielen bei der Bereitstellung und Etablierung der nicht monetären Angebote eine wesentliche Rolle. Die meisten der untersuchten Angebote gingen aus der Initiative engagierter kommunal oder regional verankerter Fachpersonen bzw. Vereinigungen hervor. Ihre Finanzierung erfolgt heute über Leistungsaufträge, an denen sich einzelne oder mehrere Gemeinden beteiligen. Auch nicht staatliche Dienstleister erhalten solche Leistungsaufträge, die im Leistungs- und finanziellen Umfang untereinander variieren können. Die lokale bzw. regionale Verankerung der Angebote wird von den befragten Experten und Expertinnen als grundsätzlich wertvoll erachtet. Allerdings wird die Ausrichtung der Angebote wesentlich vom Budget beeinflusst, das der kommunalen Sozialpolitik zur Verfügung steht. Das Budget wiederum profitiert von einer Entlastung der Gemeinden durch die Kantone im Rahmen eines kantonalen Lastenausgleichs, wobei die Kantone nur in Einzelfällen die direkte Förderung der Angebote übernehmen. In Gemeinden mit einer schmalen finanzpolitischen Strategie im Sozialbereich stellt sich die Abhängigkeit der Anbietenden von den kommunalen Finanzen denn auch als Herausforderung dar.

Handlungsempfehlungen Die zentralen Erkenntnisse der Studie lassen auf erfolgversprechende Unterstützungsmassnahmen für armutsbetroffene und -gefährdete Menschen im Bereich Wohnen hinweisen, die als wegweisend zu verstehen sind.

Finanzielle Garantien stärken nicht monetäre Angebote Einer nachhaltigen Zusammenarbeit besonders förderlich ist eine Kombination von nicht monetären Dienstleistungen mit monetären Anreizen. Eine grundlegende Erkenntnis der Studie ist, dass nicht monetäre Dienstleistungen die Bereitschaft, das Verständnis und die Handlungssicherheit der Vermietenden fördern; doch erst finanzielle Garantien geben ihnen die letztlich entscheidende ökonomische Sicherheit.

Die Relevanz gemeindeübergreifender Angebote Um die Lücken im Angebot an nicht monetären Dienstleistungen im Wohnbereich zu schliessen, ist der Aufbau bzw. die Ausweitung von gemeindeübergreifenden, regionalen Angeboten sinnvoll und wichtig. Allerdings befürchten insbesondere Gemeinden in Kantonen ohne bzw. mit schwachem Soziallastenausgleich, dass die Sozialhilfekosten dadurch zunehmen. Demgegenüber versprechen sich einige der befragten Experten und Expertinnen u. a. einen Beitrag an eine Reduktion von Fürsorge- und Gesundheitskosten. Ungeachtet dieser unterschiedlichen Einschätzungen weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass die Wohnungsvermittlung und Wohnraumsicherung zugunsten armutsbetroffener und -gefährdeter Menschen v. a. dann langfristig und nachhaltig wirkt, wenn sie im Rahmen einer (über-)regional oder kantonal koordinierten, flächendeckenden Gesamtstrategie erfolgt.

  • 1. Die Leerwohnungsziffer in der Schweiz hat sich zwar 2014 gegenüber den Vorjahren leicht entspannt, beträgt aber nach wie vor durchschnittlich nur 1,08 Prozent. Dabei sind starke regionale Unterschiede auszumachen: Während die Leerwohnungsziffer im Kanton Jura etwa bei 2,25 Prozent liegt, stehen im Kanton Basel-Stadt nur 0,23 Prozent der Wohnungen leer, im Kanton Genf sind es 0,39 Prozent und in der Stadt Zürich 0,22 Prozent. Zugenommen hat dabei vor allem die Anzahl unbewohnter Neubauwohnungen, BFS (Juli 2014).
Dr. phil., Leitung ETH Wohnforum – ETH CASE.
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Dr. sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin ETH ­Wohnforum – ETH CASE.
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Dr. sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin ETH ­Wohnforum – ETH CASE.
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