Die Armutsbekämpfung muss sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel anpassen

Ludwig Gärtner
  |  21. Dezember 2018
  • Armut

In der Schweiz sind 615 000 Personen von Armut betroffen, davon sind 108 000 Kinder. Armut ist nicht nur ein Mangel an Geld, sondern wirkt sich auf die Lebenssituation der betroffenen Personen auf vielfältige Weise aus. Armut ist aber nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Verfügen ganze Bevölkerungsgruppen nicht über die für ein menschenwürdiges Leben notwendigen Mittel, drohen Ghettoisierung, steigende Kriminalität und mithin eine Desintegration der Gesellschaft mit entsprechenden Folgekosten. Eine wirksame Prävention und Bekämpfung der Armut ist deshalb eine wichtige Aufgabe von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden.

Die doch bedeutende Anzahl armutsbetroffener Menschen in der Schweiz wird auf der einen Seite als Misserfolg der Massnahmen gegen Armut angesehen. In der Tat zeigt sie, dass bei der Prävention und Bekämpfung der Armut weitere Anstrengungen notwendig sind. Auf der anderen Seite darf jedoch nicht verkannt werden, dass in der Schweiz die Armutsquote trotz grosser wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen mehr oder weniger seit Jahrzehnten auf demselben Niveau verharrt. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in der Schweiz von vielen Akteuren Massnahmen ergriffen oder bestehende Massnahmen optimiert, welche zum Ziel haben, Menschen sozial und wirtschaftlich zu integrieren, um eine Abhängigkeit von Sozialleistungen zu verhindern oder zu reduzieren.

Warum braucht es also weitere Anstrengungen und weiterhin ein Engagement des Bundes? Erstens kann der Bund dafür sorgen, dass die wertvollen Erfahrungen kantonaler oder lokaler Akteure einer breiten Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Es gilt aus Erfolgen und Misserfolgen zu lernen, was besser gemacht werden kann. Der Bund kann den Wissensaustausch zwischen den verantwortlichen Akteuren fördern und so zur Koordination und Verbesserung von Massnahmen beitragen. Zweitens kann der Bund die Diskussion zu Massnahmen mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bereichen anstossen, die bisher noch nicht genügend bearbeitet wurden. In den nächsten fünf Jahren wird deshalb die «Nationale Plattform gegen Armut» diese Aufgabe wahrnehmen. Gesellschaft und Wirtschaft werden sich weiter wandeln und damit die Herausforderungen für die soziale und wirtschaftliche Integration Benachteiligter. Die nationale Plattform will dazu beitragen, dass adäquate Antworten darauf gefunden werden.

Wissenschaftlicher Berater, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
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