Arbeitsplätze sind nicht nur in der freien Marktwirtschaft begehrt

Sabina Schmidlin
  |  08. Oktober 2021
  • Arbeitslosenversicherung
  • Interinstitutionelle Zusammenarbeit

Arbeitgeber sind in der Bildungs- und Arbeitsmarktintegration zentrale Partner der IIZ-­Akteure: Sie alle kommunizieren und arbeiten mit den Arbeitgebern auf die eine oder andere Art zusammen. Eine Auslegeordnung zeigt den Kommunikationsbedarf unter den IIZ-Akteuren und die Informationsbedürfnisse der Arbeitgeber auf.

Auf einen Blick

  • Die Kommunikation unter den IIZ-Akteuren, aber auch zwischen diesen und den Arbeitgebern ist ausbaufähig.
  • Arbeitgeber suchen v.a. Informationen über fallunabhängige Themen, Angebote und Massnahmen der Arbeitsmarktintegration. 
  • Die Kommunikations- und Informationskanäle der IIZ-Akteure sollten idealerweise kantonal gebündelt sein und die praktischen Fragestellungen der Arbeitgeber beantworten.
  • Die Arbeitgeber wünschen sich eine nationale  Landingpage als Orientierung über die Integrationsleistungen der IIZ und als Wegweiser zu den relevanten Anlaufstellen in den Kantonen.

Seit sich ab 1990 auch in der Schweiz das Paradigma des aktivierenden Sozialstaats durchgesetzt hat, zählen die Arbeitgeber zu den umworbenen Partnern der Sozialversicherungen und der Sozialhilfe. Sie offerieren die dringend benötigten Arbeitsplätze für Arbeitsversuche, Praktikumseinsätze oder für den Wiedereinstieg in eine Arbeit. Dass zwischen den verschiedenen IIZ-Akteuren (vgl. Grafik G2), die für ihre Klienten und Klientinnen geeignete Ausbildungs- und Arbeitsplätze suchen, Konkurrenzsituationen entstehen, erstaunt kaum. Eine Koordination der Institutionen untereinander und in der Kommunikation mit den Arbeitgebern fehlt weitgehend. Zielkonflikte der involvierten Institutionen, die teilweise an unterschiedliche Normen/gesetzliche Grundlagen gebunden sind (z.B. IV-Stellen und RAV), ein hoher Abspracheaufwand oder fehlende politische Verbindlichkeiten führen dazu, dass alle Institutionen ihre Kommunikationspolitik an den eigenen Bedürfnissen ausrichten und wenig Interesse an Koordination haben. Zugleich stellen die Arbeitgeber eine zunehmende Komplexität sowohl im System als auch in den rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Sie haben Mühe, sich zu orientieren und wünschen sich, eine offenere Zusammenarbeitskultur unter den Verwaltungsstellen sowie klar definierte Ansprechpersonen.

Dass zwischen den verschiedenen IIZ-Akteuren, die für ihre Klienten und Klientinnen geeignete Ausbildungs- und Arbeitsplätze suchen, Konkurrenzsituationen entstehen, erstaunt kaum.

Eine Auslegeordnung im Auftrag der nationalen IIZ zeigt zum einen auf, wie die verschiedenen IIZ-Akteure aktuell mit den Arbeitgebern kommunizieren und diese in ihre Aktivitäten einbeziehen. Zum anderen werden die Bedürfnisse der Arbeitgeber an die Kommunikation ausgelotet und es wird eruiert, wie sich die Kommunikation der IIZ-Akteure mit den Arbeitgebern verbessern, das gegenseitige Verständnis fördern und die Arbeitgeber für das Integrationsthema sensibilisieren lassen (vgl. Grafik G1).

Grafik, die abbildet, wie die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und IIZ-Akteuren der Bildungs- und Arbeitsmarktintegration evaluiert wurde. Die Grafik umfasst drei Spalten. In der linken Spalte werden untereinander die Arbeitspakete Erhebung, Validierung und Erkenntnisse/Empfehlungen abgebildet. In der mittleren Spalte werden die Fragestellungen der jeweiligen Arbeitspakete genannt und in der rechten Spalte wird die verwendete Methode festgehalten.

Sozialversicherungen und Berufsbildung kommunizieren aktiver als andere

Die IIZ-Institutionen konnten sich in einer Onlinebefragung dazu äussern, wie ausgeprägt sie mit den Arbeitgebern kommunizieren, welche Themen sie besprechen, welche Kanäle sie dafür nutzen und inwiefern sie sich mit den anderen IIZ-Akteuren koordinieren.

Die Sozialversicherungen und die Berufsbildung pflegen einen aktiveren Kontakt zu den Arbeitgebern als das Personal der Sozialhilfe und der Migrationsbehörden. Die Kontaktpflege erfolgt primär telefonisch, per E-Mail oder durch persönliche Besuche bei den Arbeitgebern. Die meisten Befragten erachten den persönlichen Kontakt und die personelle Kontinuität in der Zusammenarbeit als zentrale Erfolgsaspekte. Inhaltlich drehen sich die Gespräche um Unterstützungsmöglichkeiten, Rechtsfragen, Prozessabläufe oder Zuständigkeitsfragen. Nehmen indes die Arbeitgeber den Kontakt zu den Behörden auf, so tun sie das, weil sie konkrete Fragen zu einer versicherten Person oder Fallsituation haben.

Für die Arbeitsämter, IV-Stellen sowie die Berufs- und Laufbahnberatung sind vor allem Wirtschaftsevents und Networkinganlässe eine Gelegenheit, um die Arbeitgeber für das Thema Bildungs- und Arbeitsintegration zu sensibilisieren, ihre Bedürfnisse abzuholen und die spezifischen Unterstützungsmöglichkeiten bekannt zu machen.

Zuviele fischen im gleichen Teich

Die befragten IIZ-Akteure antizipieren zwar, dass es nicht im Interesse der Arbeitgeber ist, wenn am Morgen der RAV-Berater vorbeikommt, am Nachmittag die Eingliederungsberaterin der IV einen Termin hat und am nächsten Tag der Lehrstellenförderer im Haus steht. Dies führt zu Konkurrenzsituationen: «Zu viele Institutionen fischen im gleichen Arbeitgeberteich», meint ein Befragter. Das schrecke insbesondere Arbeitgeber ab, die man für die Integration neu gewinnen wolle. Gleichwohl ist die Mehrheit der befragten IIZ-Akteure der Meinung, dass es eine bessere Koordination und den vermehrten Austausch unter den beteiligten Institutionen braucht (vgl. Grafik G2). Zunehmenden Informationsbedarf der Arbeitgeber erkennen sie vor allem bei fallunabhängigen Themen zur Arbeitsmarktintegration sowie bei den verschiedenen Angeboten und Massnahmen.

Die befragten IIZ-Akteure ordnen die Aufgabe einer koordinierten Kommunikation primär den IIZ-Koordinatoren und Koordinatorinnen zu. Es zeigt sich jedoch, dass die Kommunikation mit den Arbeitgebern in verschiedenen Kantonen kein Thema der Koordinatoren und Koordinatorinnen ist. Denn Letztere sind häufig für fallspezifische Fragen oder Spezialthemen zuständig, für die eine systematische Kommunikationsabstimmung nicht unbedingt nötig ist.

Die Befragten äussern sich indes nicht ganz widerspruchsfrei: Sie erwarten zwar, dass die Fäden in der Kommunikation mit den Arbeitgebern bei den IIZ-Koordinatoren und -Koordinatorinnen zusammenlaufen. Mit Ausnahme der RAV besprechen jedoch gerade die befragten IIZ-Akteure selbst Arbeitgeberfragen eher selten miteinander oder suchen diesbezüglich den Kontakt zu den IIZ-Koordinatoren und -Koordinatorinnen.

Luft nach oben bei der Arbeitgebersensibilisierung

Die Analyse der Dokumente und die Ergebnisse aus den Workshops mit Arbeitgeberorganisationen ergaben, dass relativ wenige Arbeitgeber in der Arbeitsintegration sensibilisiert und engagiert sind. Jene, die das Thema auf dem Radar haben, sind bereits positiv eingestellt und kümmern sich aktiv um Informationen. Dies führt dazu, dass verbesserte Informations- und Kommunikationsangebote primär sie erreichen. In Anbetracht der Tatsache, dass Inklusion und Integration bei vielen Arbeitgebern negativ konnotiert sind, erachten die Arbeitgeber- und Branchenorganisationen die Sensibilisierung der Arbeitgeber für diese Themen als zentrale Aufgabe der IIZ. Um den Begriffen den «Social Touch» zu nehmen, bräuchte es positive Argumente, die das Potenzial der Personen und den Nutzen für den Arbeitsmarkt unter dem Aspekt des Fachkräftemangels aufzeigen könnten. Denn Arbeitgeber sind nur bereit, Hand zu bieten, wenn sich Inklusion und Integration lohnen (Knöpfel 2018).

Die Arbeitgeber wünschen sich einfache und stabile Zugänge zu den Institutionen, beispielsweise eine Anlaufstelle pro Kanton, an die sie Fragen aus der konkreten Umsetzungspraxis adressieren können und die ihnen Türen zu anderen relevanten Bereichen öffnen. Dies würde ihren Aufwand verringern, sich mit den spezifischen kantonalen Praktiken der Arbeitsämter, IV-Stellen, Berufsbildungsämter und Migrationsbehörden auseinanderzusetzen. Handlungsbedarf sehen die Arbeitgeber zudem in einer unter den IIZ-Akteuren besser abgestimmten, transparenteren Kommunikation in den Kantonen. Gefragt ist aber auch Agilität: Die Institutionen sollten ihre Arbeit besser über die Kantons- und Gemeindegrenzen hinweg aufeinander abstimmen. Eine nationale Landingpage könnte zudem die wesentlichen Elemente der Bildungs- und Arbeitsintegration anschaulich aufzeigen.

Die Arbeitgeber wünschen sich einfache und stabile Zugänge zu den Institutionen, beispielsweise eine Anlaufstelle pro Kanton, an die sie Fragen aus der konkreten Umset­zungspraxis adressieren können.

Aus Arbeitgebersicht kommunizieren die Verwaltung und damit auch die IIZ-Akteure oft noch aus der Inside-Out-Perspektive und wenig kundenorientiert. Generell wünschen sich Arbeitgeber, dass die Kommunikation besser auf den jeweiligen Branchenkontext eingeht. Denn unterschiedliche Branchen haben unterschiedliche Integrationsmöglichkeiten und suchen nach Fachkräften mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Wie sich in einem Workshop mit den Arbeitgeberorganisationen zeigte, sprechen die IIZ-Akteure die Arbeitgeber- und Branchenverbände eher selten direkt an. Die Verbände sind jedoch für ihre Mitglieder wichtige Dienstleister und könnten als Informationsvermittler zwischen den Behörden und Arbeitgebern eine wichtige Ressource bei der fallunabhängigen Kommunikation sein. Denn sie schlagen die Brücke zum jeweiligen Branchen- oder Arbeitgeberkontext und verfügen in der Regel über eigene Kommunikationsverantwortliche mit spezifischem Know-how. Sie sollten daher vermehrt als Multiplikatoren in der Sensibilisierung für die Bildungs- und Arbeitsintegration eingesetzt werden.

Kräfte in der Kommunikation bündeln

Erfolgreiche Arbeitsintegration braucht Arbeitgeber, die bereit und offen dafür sind, sich zu engagieren und in ihren Unternehmen ein Umfeld zu schaffen, welches eine Integration möglich macht. Dazu benötigt es die koordinierte und zielgerichtete Kommunikation der IIZ-Akteure.

Grafik, die die Handlungsfelder einer verbesserten Kommunikation und die damit verbundenen Fragestellungen nennt, die zu klären sind.

Die Autoren und Autorinnen der Auslegeordnung haben vier Handlungsfelder (Grafik G3) identifiziert, zu denen sie vierzehn Empfehlungen für eine verbesserte Kommunikation mit den Arbeitgebern formuliert haben. Dazu gehören unter anderem:

  • Die Lancierung einer Sensibilisierungskampagne unter dem Lead der nationalen IIZ-Akteure. Damit wird gezeigt, dass alle Beteiligten das gleiche Ziel verfolgen und am gleichen Strang ziehen.
  • Der Aufbau einer Landingpage als Orientierung über die Integrationsleistungen der IIZ und als Wegweiser zu den relevanten Anlaufstellen in den Kantonen.
  • Die Klärung der Begrifflichkeiten und Verwendung einer einheitlichen Sprache, um das Verständnis für Bildungs- und Arbeitsintegration unter den IIZ-Akteuren und gegenüber den Arbeitgebern abzustimmen.
  • Die Arbeitgeber in die IIZ-Gremien involvieren, um eine stärkere Outside-In-Perspektive und den Dialog mit den Arbeitgebern zu fördern und zu ihrer Sensibilisierung für die Bildungs- und Arbeitsmarktintegration beizutragen.
  • Die Einrichtung einer Hotline für Arbeitgeber zur Unterstützung bei der Interpretation von Informationen.
  • Die Erstellung von Systemlandkarten, um die relevanten Aktivitäten des Systems der sozialen Sicherheit auf übersichtliche Weise darzustellen und die Schnittstellen sichtbar zu machen.
  • Die Erarbeitung von Leitfäden und Checklisten für IIZ-Akteure, um sie in der Kommunikation mit den Arbeitgebern zu unterstützen.
  • Die Organisation eines aktiven Erfahrungsaustauschs, um das vorhandene Wissen und den Erfahrungsschatz bei den IIZ-Akteuren und Arbeitgebern aktiv zu nutzen.

Zielgruppenansprache verbessern

Das IIZ-Steuerungsgremium sowie das Entwicklungs- und Koordinationsgremium haben die Empfehlungen in einem gemeinsamen Workshop vertieft und priorisiert. Die Mitglieder haben sich darauf geeinigt, in einem ersten Schritt die Ansprache der Arbeitgeber zu verbessern, indem Begrifflichkeiten geklärt, ein gemeinsames Vokabular erstellt und Kommunikationsleitfäden bzw. -checklisten erarbeitet werden. Die Umsetzung der drei Massnahmen schafft die Basis, um weitere Empfehlungen in Angriff zu nehmen.   

Lic. phil. I, Leiterin nationale IIZ-Fachstelle
[javascript protected email address]