Angebote der Wohnhilfe für sozial benachteiligte Haushalte

Um geeigneten Wohnraum zu finden und zu halten, sind sozial benachteiligte Haushalte ­neben Wohnkostenzuschüssen und -verbilligung auf weitere Hilfeleistungen angewiesen. Eine neue Hilfestellung soll Kantone und Gemeinden darin unterstützen, Angebote der Wohnhilfe zu schaffen und bestehende zu verbessern bzw. zu ergänzen.
Lukas Beck, Sarah Fuchs, Eveline Althaus, Michaela Schmidt, Marie Antoinette Glaser
  |  01. Juni 2018
    Forschung und Statistik
  • Armut

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Eine angemessene Versorgung mit Wohnraum gehört deshalb zu den von Bund und Kantonen angestrebten Sozialzielen. Für einkommensschwächere Haushalte ist es vor allem in Städten und Agglomerationen mit angespanntem Wohnungsmarkt schwierig, eine angemessene Wohnung zu finden und zu halten. Häufig fliesst ein Grossteil des Haushaltsbudgets in die Miete. In der Folge sehen sich diese Haushalte häufig zu Einschränkungen in anderen Lebensbereichen gezwungen, was ihre Teilnahme am sozialen Leben gefährdet.

Rolle der Kantone, Städte und Gemeinden in der Wohnhilfe Im Rahmen ihrer Sozialpolitik leisten Kantone, Städte und Gemeinden einen entscheidenden Beitrag dazu, die Wohnversorgung sozial benachteiligter Haushalte zu verbessern. In allen Kantonen werden im Rahmen der Ergänzungsleistungen zu AHV und IV sowie der Sozialhilfe Beiträge an die Wohnkosten armutsbetroffener Haushalte ausgerichtet. Sie sind gesetzlich vorgeschrieben und verhindern Obdachlosigkeit aufgrund von Armut. Die Wohnkostenbeiträge richten sich am anerkannten Bedarf aus und sind an Einkommens- und Vermögenslimiten gebunden.

Nicht alle sozial benachteiligten Haushalte, die Schwierigkeiten bekunden, angemessenen Wohnraum zu finden, haben Anspruch auf Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen. Gleichzeitig gibt es Haushalte, die trotz finanzieller Unterstützung grosse Schwierigkeiten haben, angemessenen Wohnraum zu finden und diesen zu halten. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben verschiedene Kantone, Städte und Gemeinden ergänzende Angebote der Wohnhilfe entwickelt.

Neben sozialpolitischen Massnahmen nehmen verschiedene Kantone, Städte und Gemeinden auch über ihre Wohnungspolitik Einfluss auf den Wohnungsmarkt. Wenn die Förderung von preisgünstigem Wohnraum mit geeigneten Belegungsvorschriften und Einkommenslimiten verknüpft wird, kann damit gezielt Wohnraum für sozial benachteiligte Haushalte geschaffen werden (Beck et al. 2013).

Hilfestellung als Anregung und Unter­stützung In zwei 2015 und 2016 veröffentlichten Studien zur Wohnversorgung armutsbetroffener und -gefährdeter Haushalte zeigte das nationale Programm gegen Armut auf, dass sozial benachteiligte Haushalte neben der finanziellen Unterstützung im Rahmen von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen auf weitere Hilfsangebote angewiesen sind (Bochsler et al. 2015, Althaus et al. 2016). Das Bundesamt für Sozialversicherungen und das Bundesamt für Wohnungswesen haben deshalb im Rahmen des nationalen Programms gegen Armut eine Hilfestellung dazu erarbeiten lassen. Diese zeigt Kantonen, Städten und Gemeinden auf, wie sie sozial benachteiligte Haushalte in Wohnfragen unterstützen können (vgl. Kasten).

Angebote der Wohnhilfe: Eine Hilfestellung für Kantone, Städte und Gemeinden

Beck, Lukas; Fuchs, Sarah; Thoma, Matthias; Althaus, Eveline; Schmidt, Michaela; Glaser, Marie (2018): Angebote der Wohnhilfe für Armutsbetroffene. Eine Hilfestellung für Kantone, Städte und Gemeinden; [Bern: BSV/ BWO].

Die Wegleitung bildet die in der Schweiz verbreiteten Unterstützungsangebote der Wohnhilfe in der Form von Steckbriefen ab. Den einzelnen Angeboten sind Piktogramme zugeordnet, die je für sich und in ihren Kombinationsmöglichkeiten in einem fiktiven Wohnumfeld dargestellt sind. Auch mögliche Formen der Zusammenarbeit mit Partnern aus der Immobilienwirtschaft, des Gesundheitswesens und insbesondere mit nichtstaatlichen Organisationen werden aufgezeigt. Um die unterschiedlichen Ausgestaltungsformen zu illustrieren, werden in der Hilfestellung ein Kanton und vier Städte mit erfolgreichen Unterstützungsangeboten porträtiert.

Die Hilfestellung wurde unter der Mitwirkung einer breit abgestützten Begleitgruppe erarbeitet. Vertreter von kleinen und grossen Städten, Kantonen und nichtstaatlichen Akteuren haben sichergestellt, dass die Hilfestellung die für die Zielgruppe wesentlichen Fragen beantwortet.

Sieben Angebote der Wohnhilfe Die Hilfestellung unterscheidet sieben Angebote der Wohnhilfe, die sich drei Gruppen zuordnen lassen (vgl. Grafik G1): Beratungs- und Begleitungsangebote, direkte Wohnangebote sowie finanzielle Unterstützungsangebote.

In der niederschwellig gestalteten Beratung bei Wohnfragen können sich Interessierte bei Problemen rund um die Wohnungssuche, aber auch generell rund um das Thema «Wohnen» beraten lassen. Sie hat häufig die Form von öffentlichen Sprechstunden. Die Wohnbegleitung wiederum unterstützt sozial benachteiligte Haushalte individuell mit dem Ziel, Mietverhältnisse trotz Problemen im Wohnumfeld langfristig zu sichern.

Direkte Wohnangebote konzentrieren sich auf die unmittelbare Unterstützung Hilfesuchender: Vor allem grössere Städte bieten Obdach- und Wohnungslosen zeitlich befristet eine Notunterkunft oder Notwohnung an. Manche Kantone, Städte und Gemeinden helfen auch langfristig, indem sie sozial benachteiligten Haushalten eigene oder angemietete Wohnungen vermieten.

Finanzielle Unterstützung bei den Wohnkosten kann auf unterschiedliche Art erfolgen. So werden einzelne Haushalte in bescheidenen finanziellen Verhältnissen, die aber keine Sozialhilfe beziehen, beispielsweise mit der Auszahlung von Wohnkostenzuschüssen unterstützt. Einige Kantone und Gemeinden kennen auch die gezielte Subventionierung von Wohnungen einkommensschwacher Haushalte über Beiträge und Darlehen an die Vermieter. Bislang noch wenig verbreitet sind dagegen finanzielle Garantien gegenüber Vermietern (Althaus et al. 2016). Dieses von nichtstaatlichen Organisationen entwickelte Angebot kann sich für Haushalte eignen, die wegen Schulden oder Betreibungen keine Wohnung finden.

Verbreitung der Angebote Neben der systematischen Darstellung und Einordnung der möglichen Ansätze der Wohnhilfe porträtiert die Hilfestellung – exemplarisch und stellvertretend für das gesamtschweizerische Angebot – die Wohnhilfe des Kantons Basel-Stadt und der vier Städte Lugano, Luzern, Vevey sowie Wil. Um den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden, kombinieren diese jeweils mehrere Angebote, die sie entweder selbst erbringen oder im Leistungsauftrag an nichtstaatliche Organisationen vergeben (vgl. Grafik G2). Während die Beratung und Begleitung zum Beratungsstandard gehören, zählen die Direkthilfe oder finanzielle Unterstützung nicht überall zum Angebot.

Die Vergabe der Wohnhilfe im Leistungsauftrag an spezialisierte private Organisationen hat sich in vielen Kantonen, Städten und Gemeinden bewährt. In der Regel haben diese eine starke Verankerung in der Zivilgesellschaft und verfügen über umfassende Erfahrungen. Zudem pflegen Sie eine gute Zusammenarbeit mit der Immobilienbranche.

Erfolgsfaktoren Für die konkrete Ausgestaltung der Angebote gibt es keine Patentrezepte. In der Erfahrung der Akteure, die sich an der Erarbeitung der Hilfestellung beteiligten, weisen erfolgreiche Angebote der Wohnhilfe die folgenden Merkmale auf:

  • Die Angebote sind auf die lokalen Gegebenheiten ausgerichtet und an die Bedürfnisse der sozial benachteiligten Haushalte angepasst.
  • Wichtige Akteure vor Ort, wie nichtstaatliche Organisationen und die Immobilienbranche, sind eingebunden und übernehmen Verantwortung.
  • Die Angebote sind in die kommunale respektive kantonale Sozial-, Gesundheits- und Wohnpolitik eingebettet.
  • Mehrere, sich ergänzende Angebote werden so kombiniert, dass Haushalten mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf geholfen werden kann.
  • Finanzielle und nichtfinanzielle Unterstützungsangebote erzielen in der Kombination die beste Wirkung.
  • Zentrale Politiker und Entscheidungsträger sind überzeugt vom Nutzen der Angebote und zeigen deren positive Wirkung möglichen Partnern und der Bevölkerung auf.
MSc ETH, responsable Stadt- und Regional­planung, EBP.
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MSc UZH, Projektleiterin im Bereich der Stadt- und Regional­wirtschaft, EBP.
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Dr. sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin ETH ­Wohnforum – ETH CASE.
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Dr. sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin ETH ­Wohnforum – ETH CASE.
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Dr. phil., Leitung ETH Wohnforum – ETH CASE.
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