Stabilisierung des Vorsorgesystems als legislaturübergreifende Herausforderung

Die Stabilisierung unseres Vorsorgesystems wird eine zentrale Aufgabe in der neuen Legislatur sein. Denn die demografische Entwicklung und die tiefgreifenden Änderungen der Gesellschafts- und Wirtschaftsstrukturen haben sich seit dem Scheitern der Alters­vorsorge 2020 nicht in Luft aufgelöst. Vielmehr akzentuieren sie sich laufend und brauchen dringend eine breit abgestützte Lösung.
Katharina Mauerhofer
  |  11. März 2020
  • Alters- & Hinterlassenenversicherung
  • Berufliche Vorsorge
  • Ergänzungsleistungen
  • Erwerbsersatzordnung

Das Vorsorgesystem ist derzeit eine grosse Baustelle. Mit der Reform AHV 21 hat der Bundesrat im August des vergangenen Jahres Massnahmen zur Diskussion gestellt, um das Leistungsniveau in der AHV zu erhalten und das finanzielle Gleichgewicht der AHV bis 2030 zu sichern. Er hofft so, Zeit zu gewinnen, um später auch die strukturellen Herausforderungen angehen zu können. Ähnliches gilt für die Reform der 2. Säule, für die sich die Sozialpartner im Sommer 2019 auf einen Kompromiss geeinigt haben, und die Ende 2019 auch ihren Weg durch den politischen Entscheidungsprozess angetreten hat.

Bereits beschlossen ist die Reform der Ergänzungsleistungen (EL), sie tritt am 1. Januar 2021 in Kraft. Von den verschiedenen Optimierungen, wie dem Ausgleichfondsgesetz, der systematischen Verwendung der AHV-Nummer durch die Behörden sowie der Modernisierung der Aufsicht, ist lediglich Ersteres bereits beschlossen und umgesetzt. Die anderen befinden sich erst in unterschiedlichen Phasen der Entscheidungsfindung. Dies gilt auch für die Vorschläge des Bundesrats, wie sich Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung besser vereinbaren liessen, sowie für sein Modell der Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose, mit denen er verhindern möchte, dass über 60-Jährige, die von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert werden, zum Bezug von Sozialhilfe und zum Aufbrauchen ihres Vorsorgekapitals gedrängt werden.

Altersvorsorge Die Volksinitiative vom 17. Dezember 2013 mit dem Titel «AHVplus: für eine starke AHV» verlangte eine Erhöhung aller AHV-Renten um 10 Prozent. Erklärtes Ziel der Initianten war es, den verfassungsmässigen Grundsatz besser umzusetzen, wonach die Renten aus der ersten und zweiten Säule zusammen eine angemessene Weiterführung des gewohnten Lebensstandards erlauben sollten. Die Annahme dieser Initiative hätte einen Anstieg der AHV-Ausgaben um jährlich rund 4 Mrd. Franken, bis Ende 2030 sogar um 5,5 Mrd. Franken, zur Folge gehabt. In der Volksabstimmung vom 25. September 2016 wurde sie von Volk und Ständen deutlich abgelehnt.

Mit der Reform Altersvorsorge 2020 sollten die jährlichen Defizite der AHV und die Probleme der beruflichen Vorsorge koordiniert angegangen werden. Sie bestand aus zwei Vorlagen: dem Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und dem Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020 (Bundesrat 2014).

Anstelle des bisherigen, unterschiedlichen ordentlichen Rentenalters sollte ein einheitliches Referenzalter für Mann und Frau treten. Sowohl in der AHV als auch der beruflichen Vorsorge sollte dieses die Bezugsgrösse bilden für die flexible Pensionierung zwischen 62 und 70 Jahren. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf der AHV infolge der Pensionierung von geburtenstarken Jahrgängen hätte durch Umlagerung des Mehrwertsteuerertrags gedeckt werden sollen. Ausserdem hätten die Lohnbeiträge in der AHV um 0,3 Prozentpunkte erhöht und in der beruflichen Vorsorge der Umwandlungssatz schrittweise von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt werden ­sollen. Eine Erhöhung der neuen AHV-Renten von jährlich 840 Franken sowie ein Ausgleich in der beruflichen Vorsorge hätten sicherstellen sollen, dass die Höhe der Altersrenten erhalten geblieben wäre (CHSS 2/2015).

In der Volksabstimmung vom 24. September 2017 wurde der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einer knappen Nein-Mehrheit von 2357 Stimmen und einer Nein-Mehrheit von 13½ gegen 9½ Kantone abgelehnt. Das Bundesgesetz über die Reform der Altersvorsorge 2020 wurde von 52,7 Prozent der Stimmenden verworfen.

Kurz darauf beschloss der Bundesrat, dass die AHV und die 2. Säule getrennt zu reformieren seien. Im Dezember 2017 legte er die weitere Stossrichtung für die Revision der Altersvorsorge vor. Nach Auswertung der Abstimmungsresultate zur Altersvorsorge 2020 sowie Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Parteien, Sozialpartnern und diversen Organisationen war er zum Schluss gekommen, dass die Vorlage aufgrund einer Kumulation verschiedener Einzelfaktoren, nicht aber wegen einzelner, schwergewichtiger Motive abgelehnt worden war. Deshalb sollten die Grund­elemente der Altersvorsorge 2020 für die neue Vorlage zur Stabilisierung der AHV mit dem Namen AHV 21 übernommen werden.

Sodann erfolgte im Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) eine Verknüpfung von AHV und Steuerreform: Steuerprivilegien für überwiegend international tätige Unternehmen wurden abgeschafft (AS 2019 2395). Für diese Unternehmen steigt insgesamt die Steuerbelastung. Künftig gelten für alle Unternehmen grundsätzlich die gleichen Besteuerungsregeln. Neu werden bei den Kantons- und Gemeindesteuern innovative Unternehmen gefördert und unterstützt. Ziel der Massnahmen ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Innovationsstandorts Schweiz zu erhalten und attraktive Arbeitsplätze zu bieten. Als Ausgleich für diese steuerliche Entlastung der Unternehmen fliessen pro Jahr rund 2 Mrd. Franken zusätzlich in die AHV. In der Referendumsabstimmung vom 19. Mai 2019 wurde die Vorlage mit 66,4 Prozent Ja- zu 33,6 Prozent Nein-Stimmen angenommen.

Mit der finanziellen Zuwendung an die AHV leistet die STAF einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Renten. Von den Mehreinnahmen steuert der Bund rund 800 Mio. Franken bei. Den Rest tragen die Unternehmen und die Versicherten: Erstmals seit über 40 Jahren werden die Beiträge für die AHV leicht angehoben. Der Beitragssatz von Arbeitgebern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird um je 0,15 Prozentpunkte erhöht. Der Finanzierungsbedarf bei der AHV wird mit diesen Massnahmen verkleinert, jedoch nicht gedeckt. Eine strukturelle Reform der AHV bleibt daher weiterhin unumgänglich.

Am 28. August 2019 hat der Bundesrat die Botschaft zur Reform AHV 21 verabschiedet (Bundesrat 2019a). Mit der Reform AHV 21 soll das Referenzalter der Frauen sowohl in der AHV als auch in der beruflichen Vorsorge schrittweise von 64 auf 65 Jahre erhöht werden. Die Erhöhung soll im ­Folgejahr nach Inkrafttreten der Reform beginnen und jeweils drei Monate pro Jahr betragen. Die Auswirkungen für die Frauen, die bei Inkrafttreten der Reform kurz vor der Pensionierung stehen, sollen mit Ausgleichsmassnahmen abgefedert werden.

Frauen wie Männer sollen den Zeitpunkt des Rentenbezugs freier wählen können: Der Übergang in den Ruhestand kann ab 62 und bis 70 Jahre schrittweise erfolgen, indem ein Teil der Rente vorbezogen oder aufgeschoben wird – auch in der beruflichen Vorsorge. Wird die Erwerbstätigkeit über das Referenzalter hinaus fortgesetzt, kann durch die geleisteten Beiträge der Rentenbetrag erhöht werden. Die Anreizmassnahmen sollen dazu veranlassen, bis zum Referenz­alter oder länger zu arbeiten. Ausserdem ist es möglich, den Bezug aller Leistungen der beruflichen Vorsorge bis zum Alter von 70 Jahren aufzuschieben, auch bei einer Reduktion des Arbeitspensums.

Nach Annahme der STAF verbleibt der AHV bis 2030 immer noch ein ungedeckter Finanzierungsbedarf von 26 Mrd. Franken. Um den AHV-Ausgleichsfonds ausreichend zu alimentieren, sieht die Vorlage AHV 21 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte vor. Die Mehrwertsteuer soll einmalig und ohne zeitliche Begrenzung zu dem Zeitpunkt angehoben werden, in dem die Reform in Kraft tritt (voraussichtlich 2022).

Ausgleichsfondsgesetz Die AHV, IV und EO werden im Umlageverfahren finanziert. Um die Schwankungen der Finanzflüsse auszugleichen und um sicherzustellen, dass die Ausgleichskassen jederzeit die fälligen Leistungen auszahlen können, braucht jede der Versicherungen eine Reserve. Diese Funktion nehmen die drei Ausgleichsfonds wahr. Deren Gelder werden gemeinsam von Compen­swiss verwaltet, die durch das Ausgleichsfondsgesetz vom 16. Juni 2017 die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des Bundes erhielt (SR 830.2). Compenswiss muss jederzeit die Liquidität sicherstellen, die für die Durchführung der drei Ver­sicherungen notwendig ist. Dabei muss sie das Ver­mögen so anlegen, dass das bestmögliche Verhältnis zwischen Sicherheit und marktkonformem Ertrag gewährleistet werden kann.

Die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit unter gleichzeitiger Aufhebung der bisherigen Rechtspersönlichkeit der drei Ausgleichsfonds war nötig geworden, da sich die Geldanlage im internationalen Umfeld zunehmend schwieriger gestaltet hatte. Trat Compenswiss auf den internationalen Finanzmärkten für einen oder mehrere der Ausgleichsfonds als potenzieller Anleger auf, verstand kaum einer der möglichen Geschäftspartner das untypische Konstrukt, und es stellten sich mitunter auch haftungsrechtliche Fragen. Dieser Umstand erschwerte es Compenswiss, ihr Geschäft effizient und mit angemessenen Ertragsaussichten wahrzunehmen. Mit der Überführung in eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit Handelsregistereintrag konnte dieses Problem gelöst werden. Zudem ermöglichen die angepassten organisatorischen Normen, dass die Grundsätze einer transparenten und wirkungsorientierten Staats- und Verwaltungsführung (Good Governance) eingehalten sind. Trotz des neu strukturierten Dachs sind die drei Ausgleichsfonds aber weiterhin als getrennte Vermögenseinheiten zu betrachten. Eine Querfinanzierung zwischen den Ausgleichsfonds bzw. den Versicherungen ist nicht erlaubt.

Das Ausgleichsfondsgesetz trat während einer Übergans­phase ab 1. Januar 2018 gestaffelt in Kraft. Am 1. Januar 2019 nahm die Anstalt ihren operativen Betrieb auf und erlangte ihre Rechtspersönlichkeit, während die drei Ausgleichsfonds im gleichen Zeitpunkt die ihre verloren. Die bislang geltende Verordnung über die Verwaltung der Ausgleichsfonds der AHV, IV und EO wurde aufgehoben. Mitte 2019 genehmigte der Bundesrat die von Compenswiss erstellte definitive Transaktions- und Eröffnungsbilanz und schloss so die Überführung der Ausgleichsfonds in die Anstalt ab (Luck 2017).

EL-Reform Die am 22. März 2019 verabschiedete Reform des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG; SR 831.30) wird am 1. Januar 2021 in Kraft treten (EL-Reform 2019). Wichtigste Massnahmen sind die Anpassung der Mietzinsmaxima an die gestiegenen Mietpreise sowie eine stärkere Verwendung der Eigenmittel und eine Verringerung der Schwelleneffekte. Gleichzeitig soll das gewohnte Leistungsniveau erhalten bleiben.

Bei der Festlegung des Mietzinsmaximums werden die Haushaltsgrösse von bis zu vier Personen sowie regionale Mietzinsunterschiede berücksichtigt werden. Aufgrund dieser Anpassung der Berechnungsgrundlagen wird der Deckungsgrad auf 90 Prozent steigen. Mit der Reform wird das Vermögen stärker berücksichtigt: Künftig können nur noch Personen mit einem Vermögen von weniger als 100 000 Franken (200 000 Franken bei Ehepaaren) Anspruch auf EL erheben, wobei der Wert von selbstbewohnten Liegenschaften nicht zum Vermögen gezählt wird. Liegt das Vermögen unter der genannten Eintrittsschwelle, steht es einem EL-Anspruch zwar nicht grundsätzlich entgegen, wird aber ab einem tieferen Freibetrag als Einkommen aus Vermögensverzehr herangezogen. Ausserdem wurde eine Rückerstattungspflicht für Erben eingeführt, wenn der Nachlass 40 000 Franken übersteigt. Ferner fliessen in die EL-Berechnung künftig 80 Prozent (anstatt bisher 2/3) des Einkommens eines vollständig arbeitsfähigen Ehegatten mit ein. Bei Haushalten, in denen auch Kinder unter elf Jahren leben, wird der Betrag für die Existenzsi­cherung gesenkt. Im Gegenzug werden die Kosten für die notwendige familienexterne Betreuung auch als Ausgabe anerkannt, wenn die gesundheitliche Situation der Eltern eine solche begründet.

Die Senkung des EL-Mindestbetrags soll die Schwelleneffekte verglichen zu Personen mit kleinem Einkommen, die keine EL beziehen, abschwächen. Personen, die nach Vollendung des 58. Altersjahres ihre Stelle verlieren, können neu ihrer bisherigen Vorsorgeeinrichtung unterstellt bleiben und behalten dadurch ihre bisherigen Rechte auf Verzin­sung, Umwandlungssatz und Rente. Sie sind nur noch dazu verpflichtet, die Beiträge an die Verwaltungskosten zu zahlen sowie diejenigen, welche die Risiken Tod und Invalidität decken.

Die Änderungen der Gesetzesbestimmungen führen auch zu Anpassungen in der entsprechenden Verordnung. Diese betreffen insbesondere die Zuteilung der Gemeinden in die drei Mietzinsregionen, die Anpassung der Neben- und der Heizkostenpauschalen, den Verzicht auf Einkommens- und Vermögenswerte, die Berücksichtigung der Krankenversicherungsprämie in der EL-Berechnung, die Kosten für die familienergänzende Betreuung von Kindern, den Unterbruch des gewöhnlichen Aufenthaltes in der Schweiz und die Bearbeitungsdauer von EL-Anmeldungen.

Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege Die Betreuung von Angehörigen ist mit der Erwerbstätigkeit schwierig zu vereinbaren. Dies gilt sowohl, wenn es zu Kurzabsenzen für die Betreuung von verwandten und nahestehenden Personen kommt, als auch für berufstätige Eltern, deren Kind durch Krankheit oder Unfall gesundheitlich stark beeinträchtigt ist. Letztere haben derzeit keine andere Wahl als unbezahlten Urlaub zu nehmen, sich selbst krankschreiben zu lassen oder die Arbeit vorübergehend ganz aufzugeben.

Am 22. Mai 2019 hat der Bundesrat die Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenpflege ans Parlament überwiesen (Bundesrat 2019b).

Die Vorlage enthält verschiedene Massnahmen für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung. Der Arbeitgeber wird zur Lohnfortzahlung verpflichtet bei kurzen Arbeitsabwesenheiten von maximal drei Tagen pro Ereignis, jedoch maximal zehn Tagen pro Jahr in Fällen von Krankheit oder Unfall. Eltern, die ein Kind betreuen, das wegen einer Krankheit oder eines Unfalls gesundheitlich schwer beeinträchtigt ist, erhalten einen Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen. Der Anspruch besteht innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten, die ab Bezug des ersten Taggelds läuft. Ab Anspruchsbeginn gilt ein Kündigungsschutz von sechs Monaten und die Ferien dürfen nicht gekürzt werden. Der Anspruch auf AHV-Betreuungsgutschriften wird ausgeweitet. Zum einen wird er bereits bei einer leichten Hilflosigkeit der zu betreuenden Person gewährt. Zum anderen besteht er neu auch bei der Pflege der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners. Die Hilflosenentschädigung und der Intensivpflegezuschlag der IV werden erst dann eingestellt, wenn ein Spitalaufenthalt eines Kindes mehr als einen Kalendermonat dauert (CHSS 4/2019).

Überbrückungsleistungen Um die Konkurrenzfähigkeit älterer Personen am Arbeitsmarkt zu verbessern und das inländische Arbeitskräftepotenzial zu fördern, haben sich der Bundesrat und die Sozialpartner auf eine Reihe von arbeitsmarktpolitischen Massnahmen geeinigt. Ältere Arbeitslose, die trotz dieser Massnahmen nach dem 60. Altersjahr ausgesteuert werden, sollen unter bestimmten Voraussetzungen Überbrückungsleistungen erhalten. Der Bundesrat hat am 30. Oktober 2019 die Botschaft für ein neues Bundesgesetz über Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose verabschiedet (Bundesrat 2019c).

Personen, die nach dem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert werden, sollen nicht zum Bezug von Sozialhilfe und zum Aufbrauchen ihres Vorsorgekapitals gedrängt werden. Sie sollen bis zur ordentlichen Pensionierung eine Überbrückungsleistung (ÜL) erhalten, wenn sie mindestens 20 Jahre lang in der AHV versichert waren und mindestens 21 330 Franken pro Jahr verdient haben. Dieses Einkommen müssen sie in den 15 Jahren, unmittelbar bevor sie ausgesteuert werden, während mindestens zehn Jahren erzielt haben. Alleinstehende dürfen nicht mehr als 100 000 Franken Vermögen haben, Ehepaare nicht mehr als 200 000 Franken.

In Anlehnung an das Modell der Ergänzungsleistungen entspricht die Höhe der Überbrückungsleistung der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen. Die Überbrückungsleistungen sollen auf höchstens 58 350 Franken für alleinstehende Personen respektive höchstens 87 525 Franken für Ehepaare beschränkt sein (Sauvain 2019).

Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch die Behörden Die systematische Verwendung der AHV-Nummer als Personenidentifikator erlaubt es, Personenattribute wie Familiennamen, Vornamen oder Zivilstand automatisch, rasch und genau zu aktualisieren. Bei der Bearbeitung von Datensätzen wird der Verwaltungsaufwand gesenkt. Denn es muss nur ein Identifikationsmerkmal verwendet werden, um zum Beispiel bei gleichem Namen und Vornamen oder bei Namen mit unterschiedlicher Schreibweise den richtigen Datensatz festzustellen. Zudem werden kostenintensive Arbeiten zur Behebung von Verwechslungen und unangenehme Konsequenzen für Betroffene vermieden.

Der Bundesrat will dem Anliegen von Bundesstellen, Kantonen und Gemeinden entsprechen, vermehrt die AHV-Nummer bei ihrer Verwaltungsarbeit systematisch verwenden zu können. Er hat eine Änderung des AHV-Gesetzes zuhanden des Parlaments verabschiedet (Bundesrat 2019d). Sie sieht vor, dass Behörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben neu generell die AHV-Nummer verwenden dürfen. Institutionen ohne Behördencharakter, denen die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe übertragen wurde, sollen diese nur nutzen dürfen, wenn ein Gesetz sie dazu ermächtigt.

Wer befugt ist, die AHV-Nummer zu verwenden, muss den Datenschutz und die Informationssicherheit garantieren. Der Zugang zu den Datenbanken muss optimal gesichert werden (insbesondere Begrenzung und Authentifizierung der zugreifenden Personen, sichere Datenübertragung, Verschlüsselung, Virenschutz und Firewalls). Wichtige Abläufe innerhalb der Informatiksysteme müssen aufgezeichnet und ausgewertet werden. Mit diesen Massnahmen soll sichergestellt werden, dass Datenschutz und Informationssicherheit auch mit einer breiteren Verwendung der AHV-Nummer gewährleistet sind (Mauerhofer 2018).

Modernisierung DER Aufsicht Während die Aufsicht über die Vorsorgeeinrichtungen in der beruflichen Vorsorge (2. Säule) 2012 neu ausgestaltet wurde, ist die Aufsicht über die AHV, EO, EL und die Familienzulagen in der Landwirtschaft seit der Einführung der jeweiligen Versicherung nahezu unverändert geblieben. Um die Stabilität des Vorsorgesystems weiterhin zu garantieren, ist eine Modernisierung der Aufsicht nötig. Diese soll sich stärker an den Risiken orientieren. Ferner sollen die Governance verstärkt und die Informationssysteme in der 1. Säule zweckmässig gesteuert werden. In der 2. Säule braucht es nur einige gezielte Optimierungen in wenigen Einzelbereichen. Am 20. November 2019 hat der Bundesrat die Botschaft zur Anpassung des AHVG verabschiedet (Bundesrat 2019e).

Die Durchführungsstellen sollen im Wesentlichen verpflichtet werden, moderne Führungs- und Kontrollinstrumente einzuführen. Damit Aufgaben und Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde feststehen, werden sie im Gesetz präzisiert. Auch die Grundsätze der Good Governance sollen gesetzlich verankert werden. Um Informationssicherheit und Datenschutz zu gewährleisten, soll die Aufsichtsbehörde die Befugnis erhalten, diesbezügliche Mindestanforderungen zu erlassen. Zudem wird geregelt, wie die Entwicklung und der Betrieb von gesamtschweizerisch anwendbaren Informationssystemen finanziert werden. Ferner erhält der Bundesrat die Kompetenz, den elektronischen Datenaustausch zwischen den schweizerischen Versicherungsträgern unter sich sowie zwischen diesen und den Bundesbehörden zu regeln. Damit sie für alle Sozialversicherungszweige gilt, wird diese Bestimmung ins Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) aufgenommen (Baumann 2019).

BVG-Reform Wie die AHV steht auch die berufliche Vorsorge (2. Säule) vor der Herausforderung der steigenden Lebenserwartung und ungenügender Anlagerenditen. Eine Senkung des Mindestumwandlungssatzes ist trotz der Ablehnung entsprechender Vorlagen in den Jahren 2010 und 2017 notwendig. Die aktuelle Vorlage stützt sich auf einen Kompromissvorschlag der Sozialpartner (Travail Suisse, Schweizerischer Gewerkschaftsbund und Schweizerischer Arbeitgeberverband). Dieser umfasst Massnahmen, die das Rentenniveau in der obligatorischen beruflichen Vorsorge sichern würden, auch wenn der Umwandlungssatz gesenkt würde. Am 13. Dezember 2019 hat der Bundesrat die Vernehmlassung eröffnet (EDI 2019).

Dr. iur., Stab Geschäftsfeld AHV, 
berufliche Vorsorge und EL, BSV (bis Dez. 2020).
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