Revision Familien­zulagen­gesetz: Anpassung in drei Punkten

Das Familienzulagengesetz soll in drei Punkten angepasst werden. Der Bundesrat hat am 30. November 2018 den Ergebnisbericht sowie die Botschaft zuhanden des Parlaments ­verabschiedet.
Yasemin Cevik, Liliane Probst
  |  13. März 2019
    Recht und Politik
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Das Familienzulagengesetz ist seit dem 1. Januar 2009 in Kraft. Seither wurde es zweimal revidiert. Zum Kreis der Anspruchsberechtigten für den Bezug von Familienzulagen zählen die Arbeitnehmenden, die Selbstständigerwerbenden sowie Nichterwerbstätige mit bescheidenem Einkommen. Für die selbstständigen Landwirte und deren Arbeitnehmende besteht seit dem 1. Januar 1953 das Bundesgesetz über Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) als Spezialgesetz. Im Jahr 2017 wurden 2,4 Mio. Familienzulagen in der Höhe von rund 6 Mrd. Franken an 1,3 Mio. Bezügerinnen und Bezüger ausbezahlt (Familienzulagenstatistik 2017).

Mit Annahme der Motion Familienzulagen für alle, auch für arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen (13.3650) von Ständerätin Anna Seydoux-Christe wurde der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit alleinerziehende arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen, Familienzulagen erhalten. Am 17. März 2016 reichte Nationalrat Stefan Müller-Altermatt die parlamentarische Initiative Ausbildungszulagen ab dem Beginn der Ausbildung statt aufgrund des Geburtstages ausrichten (16.417) ein, der von den Kommissionen beider Räte Folge gegeben wurde. Um Doppelspurigkeiten zu verhindern, nahm der Bundesrat das Anliegen in die laufende Revision des Familienzulagengesetzes auf. Schliesslich wurde diese zum Anlass genommen, um eine gesetzliche Grundlage für die Finanzhilfen an Familienorganisationen zu schaffen. Mit diesen unterstützt der Bund seit rund 70 Jahren gesamtschweizerische oder sprachregional tätige Familienorganisationen. Bis jetzt wurden die Finanzhilfen direkt gestützt auf die Bundesverfassung gewährt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die Schaffung einer expliziten gesetzlichen Grundlage nötig.

Vernehmlassungsergebnisse und definitive Vorlage Am 22. November 2017 hat der Bundesrat den Entwurf zur Änderung des Familienzulagengesetzes sowie den erläuternden Bericht in die Vernehmlassung geschickt. Diese dauerte bis zum 15. März 2018.

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens gingen 68 Stellungnahmen ein. 58 Vernehmlassungsteilnehmer und damit mehr als vier Fünftel, darunter 22 Kantone, begrüssten die Vorlage. Lediglich vier Vernehmlassungsteilnehmer sprachen sich dagegen aus.

Ausbildungszulagen ab Beginn der nach­obligatorischen Ausbildung Das geltende Familien­zulagensystem kennt Kinder- und Ausbildungszulagen. Die Ausbildungszulagen sind höher als die Kinderzulagen, weil die nachobligatorische Ausbildung mit höheren Kosten verbunden ist. Nach geltendem Recht erhalten Eltern Ausbildungszulagen, wenn ihre Kinder das 16. Altersjahr vollendet haben und sich in Ausbildung befinden. Viele Kinder beginnen die nachobligatorische Ausbildung jedoch bereits früher. Deshalb sollen die Eltern neu Anspruch auf Ausbildungszulagen haben, wenn ihr Kind das 15. Altersjahr vollendet hat und sich in einer nachobligatorischen Ausbildung befindet. Das Recht auf Ausbildungszulagen kann allerdings nicht alleine von der Teilnahme an einer nachobligatorischen Ausbildung abhängig gemacht werden: Sowohl in der Schweiz wie im Ausland wird die Abgrenzung zwischen obligatorischer und nachobligatorischer Ausbildung unterschiedlich gehandhabt, was ohne Alterskriterium zu Ungleichbehandlungen führen würde. Die neue Alterslimite soll deshalb auf das vollendete 15. Altersjahr festgesetzt werden, da heute die jüngsten Kinder eines Jahrganges in der Mehrzahl der Kantone 15 Jahre und 1 Monat alt sind, wenn sie nach der regulären Schulzeit mit der nachobligatorischen Ausbildung beginnen. Für Kinder, die das 16. Altersjahr vollendet haben und noch die obligatorische Schule besuchen, werden auch in Zukunft Ausbildungszulagen ausgerichtet. Für diese Kinder erfolgt somit keine Verschlechterung im Vergleich zum heutigen System.

Im Rahmen der Vernehmlassung begrüssten es 45 Teilnehmer, davon 20 Kantone, dass die Ausbildungszulagen bereits ab dem 15. Altersjahr ausgerichtet werden sollen, sofern sich das Kind in einer nachobligatorischen Ausbildung befindet. Elf Teilnehmener, davon zwei Kantone, stimmten der geplanten Änderung teilweise zu und formulierten verschiedene Änderungs­anträge und Anregungen. Sie verlangten insbesondere die frühere Ausrichtung der Ausbildungszulagen (z. B. ab dem 12. Altersjahr) und den Verzicht auf die Einführung einer unteren Altersgrenze. Zehn Teilnehmer, darunter die vier Kantone Uri, Obwalden, Freiburg und Tessin, lehnten einen Systemwechsel ab.

Aufgrund der Stellungnahmen hält der Bundesrat am Vorschlag fest, den er in die Vernehmlassung schickte. Er ist in Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer der Auffassung, dass die Regelung, Ausbildungszulagen für Kinder zu gewähren, die das 15. Altersjahr vollendet und die nachobligatorische Ausbildung begonnen haben, den heutigen Begebenheiten in Bezug auf die Ausbildungssituation der Jugendlichen entspricht.

Familienzulagen für arbeitslose allein­erziehende Mütter Arbeitslose alleinerziehende Mütter können im geltenden Recht keine Familienzulagen beziehen, solange sie die Mutterschaftsentschädigung der Erwerbs­ersatzordnung beziehen. Wenn beispielsweise infolge einer fehlenden Vaterschaftsanerkennung niemand sonst einen Anspruch auf Familienzulagen geltend machen kann, können für das Kind keine Familienzulagen bezogen werden. Diese Lücke soll geschlossen werden, indem arbeitslosen allein­erziehenden Müttern ein Anspruch auf Familienzulagen als Nichterwerbstätige, gestützt auf das Familienzulagengesetz, gewährt wird. Aus Gründen der Gleichbehandlung und zur Begrenzung des Verwaltungsaufwands sollen jedoch die üblichen Bezugsvoraussetzungen für Nichterwerbstätige (weniger als 42 660 Franken steuerbares Einkommen, kein Bezug von Ergänzungsleistungen) hier nicht gelten.

Von den insgesamt 68 Vernehmlassungsteilnehmern begrüssten 57, davon 25 Kantone, die Ausrichtung von Familien­zulagen an arbeitslose Mütter während der 14 Wochen Mutterschaftsurlaub. Drei Teilnehmer, davon ein Kanton, stimmten der Neuerung im Grundsatz zu, verlangten aber, dass diesen Müttern ein Anspruch als erwerbstätigen statt als nichterwerbstätigen Personen zu gewähren sei. Ablehnend äusserten sich lediglich zwei Teilnehmer, die die Vorlage als Ganzes ablehnten. Eine Teilnehmerin beantragte, den im erläuternden Bericht verwendeten Begriff «alleinstehende Mütter» zu ersetzen, da er falsch gewählt bzw. diskriminierend sei.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Begriff «alleinstehend» die Lebensrealität von Müttern, die in Beziehungen mit Partnern oder Partnerinnen leben, die zum Kind kein Kindesverhältnis im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 (ZGB) haben, tatsächlich nicht abbildet. Deshalb wurde das Anliegen aufgenommen und neu die Formulierung «alleinerziehende Mütter» verwendet. Ansonsten hält der Bundesrat an dem in die Vernehmlassung geschickten Vorschlag fest.

Finanzhilfen an Familienorganisationen Gegenwärtig werden Subventionen an Familienorganisationen direkt, gestützt auf Art. 116 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV), ausgerichtet. Damit fehlt es an einer genügenden Rechtsgrundlage auf Stufe Bundesgesetz. Die Gewährung dieser Subventionen ist allerdings politisch breit abgestützt, was sich auch in der durch das Parlament vorgenommenen Erhöhung der Subventionssumme von bislang 1,2 Mio. auf 2 Mio. Franken (2016) und der Ablehnung der vom Bundesrat beantragten Kürzung des Kredits (2017) widerspiegelt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die Schaffung einer expliziten gesetzlichen Grundlage jedoch angezeigt und die vorliegende Revision des Familienzulagengesetzes bietet eine gute Gelegenheit dazu.

Die Finanzhilfen sollen gesamtschweizerisch bzw. sprachregional tätigen Familienorganisationen gewährt werden, die gemeinnützig, konfessionell neutral und parteipolitisch unabhängig sind. Nach der Auffassung des Bundesrats können die Finanzhilfen an Organisationen ausgerichtet werden, die in den Förderbereichen «Begleitung, Beratung und Bildung» sowie «Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung» aktiv sind. Diese Förderbereiche beruhen auf den Handlungsfeldern, die im Bericht «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundesrates» in Erfüllung des Postulats Familienpolitik (13.3135) aufgezeigt wurden (Battagliero 2015).

Im Rahmen der Vernehmlassung stimmten 40 Teilnehmer, davon 20 Kantone, den Bestimmungen für die Ausrichtung von Finanzhilfen an Familienorganisationen zu. Dreizehn Teilnehmer, darunter ein Kanton, stimmten teilweise zu und stellten vor allem Anträge betreffend die Förderbereiche und den Höchstsatz (der max. Subventionsanteil an den anrechenbaren Ausgaben beträgt 50 %). Drei Teilnehmer sprachen sich gegen die Finanzhilfen an Familienorganisationen aus.

In Abweichung zum Vorentwurf wird der erste Förderbereich im Entwurf präziser gefasst. Neu heisst er «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung». Aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen hat der Bundesrat ausserdem entschieden, zusätzliche Voraussetzungen für Finanzhilfen zu schaffen. Dadurch sollen Familienorganisationen unterstützt werden können, die auf nationaler oder sprachregionaler Ebene über eine ausgewiesene Bedeutung verfügen. Die Bedeutung einer Organisation misst sich unter anderem daran, wie umfassend ihr Angebot mit Blick auf die Zielgruppen, die Themen sowie die geografische Reichweite ist. Ansonsten hält der Bundesrat an dem in die Vernehmlassung geschickten Vorschlag fest.

Finanzielle Auswirkungen Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung hat jährliche Mehrausgaben für die Familienzulagen von insgesamt rund 16 Mio. Franken zur Folge (vgl. Tabelle T2).

Die Mehrausgaben machen laut Botschaft des Bundesrats einen Anteil von rund drei Promille im Vergleich zu den jährlichen Gesamtausgaben von 5,8 Mia. Franken aus. Rund 95 Prozent dieser Mehrausgaben fallen bei den Arbeitgebern und den Selbstständigerwerbenden an. Sie haben deshalb allenfalls geringfügig höhere Beitragssätze zu entrichten. Die Mehrkosten bei den Familienzulagen in der Landwirtschaft betragen für den Bund rund 330 000 Franken und für die Kantone rund 170 000 Franken pro Jahr. Bei den Kantonen fallen zusätzliche Kosten für die Zulagen für Nichterwerbstätige von rund 330 000 Franken an.

Die Neuregelung der Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter hat marginale finanzielle Auswirkungen. Die Mehrkosten, die auf jährlich 100 000 Franken veranschlagt werden, gehen aufgrund der geltenden Bestimmungen zur Finanzierung der Familienzulagen für Nicht­erwerbstätige ausschliesslich zulasten der Kantone.

Die Finanzhilfen an Familienorganisationen werden heute über das ordentliche Budget des Bundes finanziert (Kredit «Familienorganisationen», A231.0243). Die Finanzierung der Finanzhilfen soll weiterhin über das ordentliche Budget des Bundes erfolgen. Deshalb ergeben sich keine Mehrausgaben.

Juristin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Abteilung Familie, Generationen und Gesellschaft, BSV.
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