Eingliederungsmassnahmen der IV aus der Sicht ihrer Empfänger

Erstmals wurden Versicherte mit muskuloskelettalen und psychischen Krankheiten umfassend zu ihrer Lebenssituation und zu den Wirkungen von IV-Eingliederungsmass nahmen befragt. Die Studie zeigt, wie eng Behinderung, Eingliederungserfolg und Lebensqualität zusammenhängen und wie wichtig gezielte und beziehungsorientierte Massnahmen sind.
Niklas Baer, Ulrich Frick, Neisa Cuonz, Christine Besse, Michael Matt
  |  07. September 2018
    Forschung und Statistik
  • Eingliederung
  • Invalidenversicherung

Im Rahmen des Forschungsprogramms zur Invalidenversicherung (FoP-IV) wurden die beruflichen Massnahmen schon mehrfach anhand von Registerdaten, Versichertenakten oder administrativen Daten untersucht, aber bisher noch nie umfassend durch eine Befragung der Versicherten selbst. Die nachfolgend vorgestellte Studie stellt nun neben der gesundheitlichen, beruflichen und sozialen Lebenssituation der Versicherten vor allem auch deren Erfahrungen mit IV-Eingliederungsmassnahmen in den Mittelpunkt.

Fragestellungen und Vorgehen der ­Untersuchung Die Fragestellungen der Untersuchung zielten zum einen auf äussere oder objektive Merkmale wie Erwerbsstatus, Einkommen oder Art der Eingliederungsmassnahme. Zum anderen interessierten aber auch innere oder subjektive Merkmale wie Lebensqualität, Hoffnungen und Ängste im Eingliederungsprozess. Zudem wurden die Empfängerinnen und Empfänger von Massnahmen der IV mit der Schweizer Bevölkerung verglichen und die Situation von Versicherten mit psychischen und von solchen mit muskuloskelettalen Beschwerden gegenübergestellt.

Die Untersuchung umfasst zwei Teilstudien: Zum einen wurde analysiert, welche Faktoren den Eingliederungserfolg am besten voraussagen (Teilstudie TS 1; Erfolgsstudie), zum anderen wurde ermittelt, wie sich Lebenssituation und Zufriedenheit im Verlauf des Eingliederungsprozesses verändern (Teilstudie TS 2; Verlaufsstudie). Der Einglie­derungserfolg wurde für Versicherte, die 2014 letztmals eine berufliche Massnahme erhielten, 2015 monatlich mindestens 1000 Franken verdienten und weder Arbeitslosenunterstützung noch IV-Rentenleistungen bezogen, als gegeben betrachtet. Insgesamt wurden rund 3600 Versicherte – je rund 1800 pro Teilstudie (900 erfolgreich Integrierte und 900 Nichtintegrierte sowie 900 Massnahmenbeginner und 900 Massnahmenabsolventen) – zur schriftlichen Befragung eingeladen. Bei beiden Stichproben betrug der Rücklauf rund 25 Prozent (gesamthaft N = 916 Personen). Zudem wurden mit 20 Befragungsteilnehmern aus allen Teilstichproben ergänzende offene Interviews durchgeführt. Die folgenden Resultate der schriftlichen Befragung werden auch durch die Erkenntnisse aus den Interviews gestützt.

Beschreibung der Massnahmenempfänger und -empfängerinnen In beiden Teilstudien waren rund ein Drittel der Befragten unter 35 Jahre alt. Das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen und rund 80 Prozent schweizerischer Herkunft – wobei der Ausländeranteil in den IV-Stellen der lateinischen Schweiz mit 30 Prozent mehr als doppelt so hoch war wie in den Deutschschweizer IV-Stellen, wo er 13 Prozent betrug. Rund 30 Prozent hatten höchstens einen obligatorischen Schulabschluss, 55 Prozent einen Abschluss auf Sekundarstufe II und 15 Prozent einen auf Tertiärstufe. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war damit das Bildungsniveau deutlich geringer. Rund die Hälfte der Befragten lebte mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen, ein Drittel bis ein Viertel (je nach Teilstudie) lebte alleine und knapp 10 Prozent wohnten bei den Eltern.

Obwohl die Befragten in der Westschweiz und im Tessin viel häufiger ausländischer Nationalität waren und davon höchstens 60 Prozent über einen obligatorischen Schul­abschluss verfügten, wurden diese Versicherten nicht ­weniger erfolgreich eingegliedert als Versicherte in der Deutschschweiz. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass ausländische Befragte deutlich häufiger eine muskuloskelettale Erkrankung haben als Befragte mit Schweizer Nationalität: Befragte mit muskuloskelettalen Erkrankungen zeigten in der hier besprochenen Studie nämlich häufiger einen Eingliederungserfolg als Versicherte mit psychischen Erkrankungen (45 gegenüber 25 Prozent), was die geringeren Erfolgsquoten von Personen ohne Berufsausbildung und mit ausländischer Nationalität kompensierte.

Die Bedeutung der Arbeitsbiografie Generell berichten viele IV-Versicherte, dass sie schon in der Schule, Berufsausbildung oder in ihrer Arbeitsbiografie gesundheitlich bedingte Probleme hatten. Dies betrifft vor allem psychisch Kranke. Jeweils rund die Hälfte aller Befragten erwähnten Konflikte mit Arbeitskolleginnen und -kollegen und Vorgesetzten an früheren Stellen, Mobbingerlebnisse in Schule, Lehre oder Arbeit, Kündigungserfahrungen, leistungsmässige Überforderung oder längere Arbeitsunfähigkeiten an früheren Stellen. Rund 30 Prozent der befragten psychisch kranken Versicherten hatten die Berufsausbildung vorzeitig abgebrochen. Rund 65 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen beider Teilstudien hatten überdies schon Perioden hinter sich, in denen sie arbeitslos oder sozialhilfeabhängig gewesen waren. Dies bedeutet, dass die Mehrheit aller neu angemeldeten IV-Versicherten längerdauernde Arbeitsprobleme mitbringt.

Psychische und körperliche Gesundheit Ein wichtiges Resultat dieser Untersuchung ist, dass die Empfänger und Empfängerinnen von Massnahmen der IV sich in ihrer psychischen und somatischen Gesundheit deutlich von der schweizerischen Gesamtbevölkerung (SGB) abhebt. Dies erklärt sich einerseits aus der Aufgabe der IV heraus, ist andererseits aber auch ein Hinweis darauf, dass die gesundheitliche Situation im Eingliederungsprozess nie hoch genug gewürdigt werden kann.

Grafik G1 verdeutlicht, dass die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zwei- bis dreimal seltener als der Bevölkerungsdurchschnitt angaben, über einen guten Gesundheitszustand und eine gute Vitalität zu verfügen. Zudem hatten sie viermal so häufig starke körperliche Beschwerden und psychische Belastungen. Und schliesslich wiesen sie seltener eine ausgeprägte Kontrollüberzeugung aus, das heisst das Gefühl, ihren Lebensverlauf massgeblich mitbestimmen zu können: eine bedeutende Erkenntnis für die Gestaltung des Eingliederungsprozesses. Damit Versicherte ihre Eingliederung aktiv mitgestalten können, statt sich passiv in der Rolle eines fremdbestimmten Objekts von Massnahmen zu erleben, sollten sie möglichst stark an der Eingliederungsplanung partizipieren können.

Die Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigung spiegelt sich in der Menge und Vielfalt an Medikamenten, die die Befragten einnahmen: Rund 60 Prozent griffen täglich zu Medikamenten (Psychopharmaka, Schmerzmittel etc.), ca. 20 Prozent nahmen täglich gar drei und mehr Medikamente zu sich. Mit zunehmender Anzahl nötiger Medikamente gaben die Befragten auch häufiger an, unter Nebenwirkungen zu leiden – was wiederum ihre Arbeitsfähigkeit reduzieren mag.

Je besser der allgemeine Gesundheitszustand und je geringer die psychische und körperliche Belastung sind, desto grösser ist der berufliche Eingliederungserfolg. Im zeitlichen Verlauf des Eingliederungsprozesses verbessert sich die psychische Gesundheit der Versicherten, während die körperliche Belastung unverändert bleibt. Bemerkenswert ist, dass isolierte psychische respektive isolierte körperliche Beschwerden die Ausnahme sind: 80 Prozent der Versicherten mit psychischen Störungen haben körperliche Beschwerden und 60 Prozent der Versicherten mit muskuloskelettalen Erkrankungen sind psychisch belastet. Dies zeigt, wie eng psychische und somatische Prozesse zusammenhängen und dass es sinnvoll wäre, auch Versicherte mit muskuloskelettalen Erkrankungen psychologisch zu begleiten, um ihre berufliche Eingliederung zu stützen.

Funktionseinschränkungen Die befragten Versicherten waren nicht nur bei der Arbeit überdurchschnittlich belastet, sondern sie berichteten auch häufig über starke Einschränkungen in der Partnerschaft, im Kontakt zu Freunden, in der Haushaltführung und beim Erledigen administrativer Angelegenheiten oder bei Freizeitaktivitäten ausser Haus. Durchschnittlich waren sie in rund sieben von 16 untersuchten körperlichen und psychischen Funktionsbereichen beträchtlich eingeschränkt. Während der Eingliederungserfolg bei den somatischen Funktionsdefiziten vor allem mit dem schmerzbedingten Bedarf nach vermehrten Pausen zusammenhängt, korrelieren fast alle psychischen Einschränkungen mit der Eingliederungswahrscheinlichkeit. Darunter fallen vor allem Energiemangel, kognitive Einschränkungen, Instabilität, Impulsivität, Perfektionismus, Inflexibilität sowie ängstliches Vermeidungsverhalten.

Die statistische Analyse der erhobenen Funktionsdefizite ergibt fünf Typen von Massnahmenempfängerinnen und -empfängern. Dabei zeigt sich exemplarisch, dass Versicherte, die sowohl körperlich als auch psychisch eingeschränkt sind, deutlich schlechtere Eingliederungsaussichten aufweisen als einfach belastete:

  • Vergleichsweise wenige spezifische Einschränkungen (30 Prozent), oft gut gebildet, männlich, ohne starke Einschränkungen im Alltag, Eingliederungserfolg häufig (39 Prozent).
  • Ausschliesslich psychische Defizite (20 Prozent), im Alltag oft sehr stark eingeschränkt, früher Problembeginn in Schule, Ausbildung oder Beruf, durchschnittlicher Eingliederungserfolg (34 Prozent).
  • Ausschliesslich somatische Einschränkungen (18 Prozent), geringe Alltagseinschränkung, später Problembeginn, häufig Abschluss der Sekundarstufe II, Eingliederungserfolg in der überwiegenden Zahl der Fälle (61 Prozent).
  • Vor allem somatische, zuweilen begleitet von psychischen Defiziten (19 Prozent), starke Einschränkung des Alltags relativ häufig, oft geringer Bildungsgrad (obligatorische Schule), hoher Ausländeranteil, Eingliederungserfolg selten (21 Prozent).
  • Sehr starke psychische und somatische Belastungen (13 Prozent), im Alltag meist deutlich eingeschränkt, erste Probleme überwiegend nach dem 25. Altersjahr, höchster Anteil von Personen mit obligatorischer Schulbildung, Eingliederungserfolg sehr selten (13 Prozent).

Soziale Unterstützung Mehr als ein Drittel der Personen, die Massnahmen der IV erhalten, vermisst eine Vertrauensperson, mit der sie über ganz Persönliches sprechen können. Das sind fast doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung, zudem ist ihre subjektive Lebensqualität viel geringer. Je grösser die Funktionseinschränkungen, desto häufiger fehlt den Betroffenen eine Vertrauensperson. Auch die Art der Einschränkungen macht einen Unterschied: Befragten mit Antriebsproblemen, kognitiven Einschränkungen, Ängsten und emotionaler Instabilität sowie Impulsivität fehlte besonders häufig eine nahe Bezugsperson. Nicht anders erging es Versicherten, die alleine wohnten, Alleinerziehenden und jungen Versicherten, die bei den Eltern wohnten.

Der Beeinträchtigungsgrad beeinflusst das Ausmass der Unterstützung, die die Befragten durch ihr soziales Umfeld erhalten (vgl. Grafik G2). Versicherte mit geringen Alltagsbeeinträchtigungen erhalten nicht selten Unterstützung aus ihrem privaten Umfeld: Insbesondere enge Freunde, aber auch Bekannte und Kollegen sowie frühere Arbeitskollegen und Vorgesetzte halfen in jeweils 20 bis 30 Prozent der Fälle schon einmal sehr bei der Stellensuche. Bei den Versicherten mit starken Beeinträchtigungen und besonders hohem Unterstützungsbedarf hingegen, kommt private Hilfe kaum zum Tragen. Das zeigt, dass gerade schwerere Beeinträchtigungen meist nicht durch das soziale Umfeld kompensiert werden, sondern (zwangsläufig) mit einem höheren Bedarf nach professioneller Unterstützung einhergehen.

Erfahrungen mit IV-Stelle und Eingliederungsmassnahmen Die Einschätzung der Eingliederungsmassnahmen durch die Versicherten ist nicht unwesentlich an die Bedeutung geknüpft, welche die Anmeldung bei der IV für sie hatte (Grafik G3). Rund 70 Prozent der Befragten wollten sich ursprünglich nicht bei der IV anmelden und für 60 Prozent war der Schritt mit dem Gefühl verbunden, gescheitert zu sein. Die IV-Anmeldung ist ein kritischer Moment, der mit grossen Hoffnungen, aber auch vielen Befürchtungen verbunden ist: Zwar waren vier von fünf Versicherten zu Beginn eher oder sehr optimistisch, was den beruflichen Nutzen der IV-Massnahme betraf, aber gleichzeitig hatte in beiden Teilstudien jeweils rund die Hälfte Angst zu scheitern, war verunsichert, weil Therapeut und IV-Stelle die Situation unterschiedlich beurteilten, oder befürchtete, dass man ihre Probleme und Möglichkeiten nicht verstehen würde.

Umso wichtiger ist für die Versicherten dann die Beziehung zum IV-Berater, die mehrheitlich positiv erlebt wurde: In beiden Teilstudien schätzten jeweils rund 60 Prozent der Befragten die Beratung eher oder voll und ganz als kompetent ein, den Berater als engagiert und die Beziehung als hilfreich. Auf der anderen Seite fühlten sich rund 30 Prozent der IV ausgeliefert und von ihr unter Druck gesetzt. Auch der mehrfache Beraterwechsel wurde als ungünstig erlebt. Obschon negative Erfahrungen bei Versicherten mit stär­keren Einschränkungen und geringerer Kontrollüberzeugung häufiger waren, sollte künftig bei allen Versicherten, die IV-Massnahmen erhalten, noch stärker auf Beziehungskonstanz und -qualität geachtet werden.

Über alle möglichen Massnahmen betrachtet, liegt der Eingliederungserfolg bei 33 Prozent, allerdings sind Frühinterventions- und Umschulungsmassnahmen oft häufiger, erstmalige berufliche Ausbildungen seltener erfolg­reich. Dies liegt an den unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen für diese Massnahmen: So verfügen beispielsweise Versicherte, die ausschliesslich eine Massnahme der Frühintervention erhalten haben, oft noch über eine Anstellung, während dies bei Versicherten in Integrationsmassnahmen meist (länger) nicht mehr der Fall ist. Unabhängig vom Eingliederungserfolg beeinflussen alle beruflichen Massnahmen die Grundarbeitsfähigkeiten und das Selbstvertrauen positiv (vgl. Grafik G4).

In jeweils 50 bis 70 Prozent der Fälle wurde eher oder voll­umfänglich attestiert, dass die Fachpersonen kompetent waren und sie die Arbeitsproblematik präzise abklärten und spezifisch förderten. Dabei vermochten die Massnahmen nicht nur die Grundarbeitsfähigkeiten und das Selbstvertrauen zu stärken, sondern sie trugen häufig auch dazu bei, den Arbeitsrhythmus zu steigern und die sozialen Kompetenzen, die Leistungsfähigkeit sowie das Arbeitsverhalten zu verbessern.

Bei der Beurteilung der Massnahmen gilt es vor allem fest­zuhalten, dass erfolgreich integrierte Versicherte diese mehr als zweimal so häufig als «spezifisch» wahrnahmen als solche, deren Eingliederung nicht gelang. Folglich sollten die IV-Stellen Ziel und Ausgestaltung der Massnahmen künftig konsequenter an den individuellen Voraussetzungen der Versicherten ausrichten und die Lösungen zudem stringent vom Assessment der Arbeitsproblematik ableiten. Entsprechend wären von den Anbietern arbeitsrehabilitativer Massnahmen vermehrt spezifische und fachlich fundierte Interventionen zu verlangen.

Schliesslich berichteten rund 30 Prozent aller Befragten, darunter vor allem stärker beeinträchtigte Versicherte, dass die Massnahme(n) ihnen nicht genutzt oder gar gesundheitlich geschadet hätten. Bemerkenswerterweise stellten insbesondere auch Versicherte, deren IV-Berater, Arzt oder Arbeit­geber sich nie zum Gespräch getroffen hatten, dasselbe fest. Der deutliche Zusammenhang zwischen fehlendem Austausch und Gesundheitsschädigung sollte weitergehend untersucht werden. Gegebenenfalls sind auch zwingende Anpassungen in der Zusammenarbeit nötig.

Faktoren für den Eingliederungserfolg Die Analyse der Faktoren für den Eingliederungserfolg zeigt, dass viele Merkmale für sich alleine (univariat) signifikant sind und deutlich zwischen Eingliederungserfolg und -misserfolg unterscheiden: Gezielte Massnahmen, die spezifisch auf die Beeinträchtigung ausgerichtet waren, den Arbeitsrhythmus und das Arbeitspensum steigern konnten, aber auch das Arbeitsverhalten, das Selbstvertrauen und die Bewältigungsfähigkeit der Versicherten verbesserten, korrelieren deutlich mit dem Eingliederungserfolg. Positiv gewichtete auch, dass IV-Berater und die Betreuenden in den Durchführungsstellen das Arbeitsproblem verstanden, dass die IV aktiv mithalf, eine Arbeitsstelle zu finden und dass die Versicherten bei Problemen und Krisen im Eingliederungsverlauf gut unterstützt wurden. Dies ist unter anderem ein Hinweis an die IV-Stellen, die konkrete Stellenvermittlung für den ersten Arbeitsmarkt zu verstärken.

Die multivariate Analyse der Einflussfaktoren auf den Eingliederungserfolg zeigt schliesslich sechs Faktoren, die unabhängig von allen anderen das Eingliederungsresultat am besten voraussagen (vgl. Grafik G5):

  • Eine geringe Lebensqualität bringt eine um 60 Prozent reduzierte Chance auf beruflichen Erfolg mit sich (im Vergleich mit einer guten Lebensqualität).
  • Bei einer psychischen Erkrankung verringern sich die Eingliederungschancen um das Zweieinhalbfache gegenüber einem muskuloskelettalen Leiden.
  • Einschränkungen in der Flexibilität (perfektionistisch und unflexibel) bringen eine um 60 Prozent reduzierte Chance auf beruflichen Erfolg mit sich.
  • Unausgeglichenheit (impulsives, konflikthaftes Verhalten) verringern die Eingliederungswahrscheinlichkeit um das Doppelte.
  • Personen, denen nie gekündigt wurde, haben eine um 70 Prozent verbesserte Chance, sich erfolgreich einzugliedern.
  • Ein Abschluss auf Tertiärstufe verbessert die Eingliederungschancen um 40 Prozent.

Entscheidend für den Eingliederungserfolg sind demnach das subjektive Erleben, die Art der Erkrankung, die Persönlichkeitsstruktur, das Arbeits- und Beziehungsverhalten, die Arbeitsbiografie sowie das Bildungsniveau der Versicherten.

Fazit Die hier ausgewählten Resultate der Versichertenbefragung zeigen, dass Empfängerinnen und Empfänger von Massnahmen der IV meist schwere und oft schon langandauernde Einschränkungen hatten, bevor sie sich zu einer Anmeldung bei der IV durchrangen. Trotzdem hatten sie viele Jahre gearbeitet und erlebten die Anmeldung als kritischen Moment des Scheiterns. Eine beziehungsorientierte, partizipative und professionelle Begleitung durch die IV sowie gezielte und fundierte arbeitsrehabilitative Massnahmen waren für sie von zentraler Bedeutung. Rund ein Fünftel der Befragten erlebte die Massnahmen als gesundheitsschädigend, und zwar häufiger Versicherte, bei denen es nie zu einem Round Table zwischen IV, Arzt und allenfalls Arbeitgeber gekommen ist. Der Eingliederungserfolg ist bei den Versicherten mit muskuloskelettalen Erkrankungen mit 45 Prozent beachtlich, aber bei den psychisch Kranken ist er mit 25 Prozent gering. Die Gründe für die niedrige Erfolgsquote sind sicher vielfältig und liegen zum einen in den typischen Funktionseinschränkungen psychisch Kranker, aber auch im Verfahren selbst. Dabei zeigt sich auch, dass dem Eingliederungsprozess mehr Zeit gegeben werden muss, dass er Geduld und Hartnäckigkeit braucht: Obschon viele Versicherte dank der Massnahmen deutliche Fortschritte machten, wurden sie nicht mehr weiter betreut oder berentet, wenn die Eingliederung vorerst – und nicht zuletzt aufgrund der zeitlichen Beschränkung für den Bezug von Massnahmen – erfolglos blieb. Dennoch scheint die IV mit der Eingliederungs- und Beziehungsorientierung seit nunmehr zehn Jahren den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Allerdings muss sie ihn konsequent weitergehen und ausbauen, um die berufliche Eingliederung nachhaltig zu stärken.

Dr. phil., Fachstelle Psychiatrische Rehabilitation, Psychiatrie Baselland.
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Prof. Dr. rer. biol. hum., HSD University of Applied Sciences, Köln.
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Psychologin FH, Zürich.
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Dr. med., Gemeindepsychiatrische Dienste, 
Departement Psychiatrie, CHUV.
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Lic. rer. soc., ValueQuest GmbH, Wädenswil.
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